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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aus Holz zu einem Baum, der noch höher war als ihrer, wo ein halbes Dutzend Heißluftballons – die einzigen Flugzeuge, die die Tempelritter auf God's Grove duldeten – festgezurrt waren und darauf zu brennen schienen, endlich loszukönnen; ihre Passagierzellen schwangen wie schwere braune Eier, die Häute der Ballons waren liebevoll wie Lebewesen bemalt – Montgolfieren, Königsschmetterlinge, Thomasfalken, Leuchtfäden, die inzwischen ausgestorbenen Zeplens, Himmelstintenfische, Mondmotten, Adler (die so fest in Legenden verwurzelt waren, daß sie nie wiederbelebt oder ARNisiert worden waren) und mehr.
    Das alles könnte zerstört werden, wenn ich weitermache. Wird zerstört werden.
    Gladstone verweilte am Rand der kreisförmigen Plattform und umklammerte das Geländer so fest, daß die Altersflecken auf ihrer Haut sich deutlich von der plötzlich blassen Haut abhoben. Sie dachte an die alten Bücher, die sie gelesen hatte, Prä-Hegira, Prä-Raumfahrt, wo die Menschen winziger Staaten auf dem Kontinent Europa dunkelhäutige Menschen – Afrikaner – von ihren Heimatländern verschleppt und zu einem Sklavendasein im kolonialistischen Westen gezwungen hatten. Hätten diese angeketteten und geknechteten, nackten und im stinkenden Rumpf eines Schiffes zusammengerollten Sklaven gezögert, einen Aufstand anzufangen, das schöne Sklavenschiff zu zerstören ... möglicherweise Europa selbst?
    Aber sie konnte immer noch nach Afrika zurückkehren.
    Meina Gladstone stieß einen Laut, halb Stöhnen und halb Schluchzen, aus. Sie wandte sich wirbelnd von dem strahlenden Sonnenuntergang ab, von den Geräuschen, die einen, neuen Tag begrüßten, von den emporschwebenden Ballons – lebend und künstlich –, die dem Himmel zustrebten, und ging nach unten, in die relative Dunkelheit, um ihren Farcaster erscheinen zu lassen.
     
    Dorthin, wo der letzte Pilger, Martin Silenus, herstammte, konnte sie nicht gehen. Silenus war nur anderthalb Jahrhunderte alt, aber schon ganz blau von Poulsen-Behandlungen, und seine Zellen erinnerten sich an die kalte Gefrierphase von einem Dutzend langen kryonischen Fugen und sogar Kältelagerungen, aber sein Leben umfaßte mehr als vier Jahrhunderte. Er war während der Endzeit auf der Alten Erde geboren worden, seine Mutter gehörte einer der edelsten Familien an, seine Jugend war ein Zerrbild von Dekadenz und Eleganz, Schönheit und dem süßlichen Geruch des Verfalls. Seine Mutter war auf der sterbenden Erde geblieben, aber er war ins Weltall geschickt worden, damit jemand die Schulden der Familie bezahlen konnte, auch wenn das bedeutete ... wie es tatsächlich geschah ... daß er jahrelange Fronarbeit als Lohnsklave auf einer der teuflischsten Hinter weiten im Netz ableisten mußte.
    Gladstone konnte nicht zur Alten Erde, daher besuchte sie Heaven's Gate.
    Mudflat war die Hauptstadt, und Gladstone ging durch die Kopfsteinpflasterstraßen und bewunderte die großen alten Häuser, die über die schmalen Kanäle in ihren Steinbetten hingen, die kreuz und quer den künstlichen Berghang hinauf verliefen wie auf einem Druck von Escher. Elegante Bäume und noch größere Farne krönten die Hügelkuppe, säumten die breiten, weißen Alleen und verschwanden hinter den Bögen des weißen Sandstrands. Die trägen Gezeiten schoben violette Wellen heran, die zu einem Dutzend Farben gebrochen wurden, bevor sie an dem makellosen Ufer starben.
    Gladstone verweilte bei einem Park mit Blick über die Mudflat-Promenade, wo viele Paare und sorgfältig gekleidete Touristen die Abendluft unter Gaslampen und Laubschatten schnupperten, und sie stellte sich vor, wie Heaven's Gate vor über drei Jahrhunderten gewesen war, als rauhe Protektoratswelt, noch nicht vollständig terraformt, und sie stellte sich den jungen Martin Silenus vor, der noch an der kulturellen Entwurzelung litt, den Verlust seines Vermögens verschmerzen mußte und nach einem Gefrierschock während der langen Reise hierher mit einem Hirnschaden zu kämpfen hatte, während er als Sklave arbeitete.
    Die Station zur Atmosphäreerzeugung hatte damals ein paar hundert Quadratkilometer Atemluft geliefert und ein gerade eben bewohnbares Land geschaffen.
    Flutwellen verschlangen Städte, urbar gemachtes Land und Arbeiter mit derselben Gleichgültigkeit. Lohnsklaven wie Silenus hoben die Säurekanäle aus, kratzten Beatmungsbakterien aus den Lungenröhrenlabyrinthen unter dem Schlamm und schafften nach den Flutwellen Schlamm und Leichen fort.
    Wir haben

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