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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Ihre Stimme war müde. »Das habe ich alles gehört, Merin. Aber was wird passieren ? Wer wird als Erster zu uns kommen?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Noch mehr Diplomaten, nehme ich an. Spezialisten für kulturellen Kontakt. Anthropologen. Ethnologen. Meeresbiologen.«
    »Und dann?«
    Ich machte eine Pause. Draußen war es dunkel. Das Meer war fast ruhig. Unsere Positionslichter leuchteten rot und grün in die Nacht. Ich spürte dieselbe Angst wie vor zwei Tagen, als ich die Sturmfront am Horizont hatte auftauchen sehen. Ich sagte: »Dann werden die Missionare kommen. Die Erdölgeologen. Die Meeresfarmer. Die Planer.«
    Siri trank ihren Kaffee. »Ich habe gedacht, deine Hegemonie hätte die Erdölökonomie längst hinter sich gelassen.«
    Ich lachte und rastete das Steuer ein. »Niemand lässt eine Erdölökonomie hinter sich. Nicht, solange es Erdöl gibt. Wir verbrennen es aber nicht, wenn du das meinst. Aber zur Herstellung von Plastik, Synthetiks, Lebensmitteln und Keroiden ist es immer noch unerlässlich. Zweihundert Milliarden Menschen verbrauchen eine Menge Plastik.«

    »Und Maui-Covenant besitzt Öl?«
    »O ja«, sagte ich. Ich hatte kein Lachen mehr in mir. »Allein unter den äquatorialen Untiefen liegen Milliarden Barrel.«
    »Wie werden sie es holen, Merin? Bohrinseln?«
    »Ja. Bohrinseln. Unterseeboote. Unterseeische Kolonien mit modifizierten Arbeitern von Mare Infinitus.«
    »Und die wandernden Inseln?«, fragte Siri. »Sie müssen jedes Jahr zu den Untiefen zurückkehren, um sich von dem Blaukelp zu ernähren und sich zu vermehren. Was wird aus den Inseln?«
    Ich zuckte wieder mit den Achseln. Ich hatte zu viel Kaffee getrunken und einen bitteren Geschmack im Mund. »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Sie haben den Mannschaftsdienstgraden nicht besonders viel erzählt. Aber bei unserem ersten Ausflug hat Mike gehört, dass sie vorhaben, so viele Inseln wie möglich zu erschließen, daher werden einige geschützt werden.«
    »Erschließen?« Siri ließ zum ersten Mal Überraschung erkennen. »Wie können sie die Inseln erschließen? Selbst die Ersten Familien müssen die Erlaubnis des Meeresvolks einholen, damit wir unsere Baumhäuser dort bauen dürfen.«
    Ich lächelte, als Siri den hiesigen Ausdruck für die Delfine benützte. Die Kolonisten von Maui-Covenant waren wie kleine Kinder, wenn es um ihre verdammten Delfine ging. »Die Pläne sind längst festgelegt«, sagte ich. »Es gibt 128 573 schwimmende Inseln, die groß genug sind, dass man ein Gebäude darauf unterbringen kann. Die sind schon lange vermietet. Ich nehme an, die kleineren Inseln wird man beseitigen. Die Heimatinseln wird man zu Erholungszwecken umbauen.«
    »Erholungszwecken«, wiederholte Siri. »Wie viele Menschen aus der Hegemonie werden den Farcaster benützen und hierher kommen – zur Erholung?«
    »Du meinst, anfangs?«, fragte ich. »Im ersten Jahr nur ein paar Tausend. Solange sich das einzige Tor auf Insel 241 befindet,
dem Handelszentrum, werden es nicht so viele sein. Im zweiten Jahr, wenn Firstsite sein Tor bekommt, vielleicht fünfzigtausend. Es wird eine Luxusreise sein. Das ist immer so, wenn eine Saatkolonie erstmals für das Netz geöffnet wird.«
    »Und später?«
    »Nach der fünfjährigen Schonzeit? Dann wird es selbstverständlich Tausende von Toren geben. Ich könnte mir denken, dass im ersten Jahr der Vollmitgliedschaft zwanzig bis dreißig Millionen neue Einwohner durchkommen werden.«
    »Zwanzig bis dreißig Millionen!«, sagte Siri. Das Licht des Kompasskastens erhellte ihr Gesicht von unten. Ich konnte immer noch Schönheit sehen. Aber keine Wut oder Betroffenheit. Ich hatte beides erwartet.
    »Aber dann werdet ihr selbst Mitbürger sein«, sagte ich. »Und überall im Weltennetz hingehen können. Ihr werdet zwischen sechzehn neuen Welten wählen können. Bis dahin wahrscheinlich noch mehr.«
    »Ja«, sagte Siri und stellte die leere Tasse weg. Nieselregen schlug sich auf dem Glas um uns herum nieder. Der primitive Radarschirm, der in einen handgeschnitzten Rahmen eingelassen war, zeigte uns, dass der Sturm weitergezogen war. »Stimmt es, Merin, dass Bewohner der Hegemonie Häuser auf einem Dutzend Welten haben? Ich meine ein Haus mit Fenstern zu einem Dutzend Welten.«
    »Klar«, sagte ich. »Aber nicht viele Menschen. Nur die sehr Reichen können sich solche Multiweltresidenzen leisten.«
    Siri lächelte und legte mir eine Hand aufs Knie. Ihr Handrücken war fleckig und von blauen Adern durchzogen.

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