Die Hyperion-Gesänge
Gegenmaßnahmen geben. Du wirst bei mir bleiben, bis der Rat die Ermittlungen beginnt.«
»Nein«, sagte ich. »Dort. Lande dort.« Ich deutete auf eine Landzunge nicht weit von der Stadt entfernt.
Siri landete, obwohl sie Einwände erhob. Ich sah zu dem Fels und vergewisserte mich, dass der Rucksack noch da war, dann kletterte ich aus dem Gleiter. Siri rutschte über den Sitz und zog meinen Kopf zu ihrem. »Merin, Geliebter.« Ihre Lippen waren warm und offen, aber ich empfand nichts. Mein Körper war wie betäubt. Ich wich zurück und schob sie weg. Sie strich sich das Haar zurück und sah mich mit grünen Augen voller Tränen an. Dann hob der Gleiter ab, wandte sich nach Süden und verschwand im frühen Morgenlicht.
Moment mal, wollte ich rufen. Ich setzte mich auf einen Felsen und umklammerte die Knie, während sich mir ein trockenes Schluchzen entrang. Dann stand ich auf und warf den Laserschreiber in die Brandung unter mir. Ich zog den Rucksack hervor und kippte den Inhalt auf den Boden.
Die Schwebematte war fort.
Ich setzte mich wieder und war zu ausgelaugt, um zu lachen oder zu weinen oder wegzugehen. Die Sonne ging auf, während ich dort saß. Drei Stunden später saß ich immer noch
da, als der große schwarze Gleiter der Schiffspolizei lautlos neben mir landete.
»Vater? Vater, es wird spät.«
Ich drehe mich um und sehe meinen Sohn Donel hinter mir stehen. Er trägt die blau-goldene Robe des Konzils der Hegemonie. Sein kahler Kopf ist gerötet und voll Schweißperlen. Donel ist dreiundvierzig, aber mir kommt er viel älter vor.
»Bitte, Vater«, sagt er. Ich nicke, stehe auf und wische mir Gras und Erde ab. Wir gehen gemeinsam zur Vorderseite der Gruft. Die Menge ist nähergerückt. Kies knirscht unter ihren Füßen, wenn sie sich unruhig bewegt. »Soll ich mit dir hineingehen, Vater?«, fragt Donel.
Ich bleibe stehen und betrachte den gealterten Fremden, der mein Kind ist. Er hat wenig von Siri und mir in sich. Sein Gesicht ist freundlich, breit und von der Aufregung des Tages gerötet. Ich spüre die offene Ehrlichkeit in ihm, die bei manchen Menschen häufig die Stelle der Intelligenz einnimmt. Ich kann nicht anders, als diesen alternden Welpen von einem Mann mit Alón zu vergleichen – Alón mit den dunklen Locken, der schweigsamen Art, dem sardonischen Lächeln. Aber Alón ist seit dreiunddreißig Jahren tot, er wurde bei einem dummen Kampf niedergestochen, der nichts mit ihm zu tun hatte.
»Nein«, sage ich. »Ich gehe allein hinein. Vielen Dank, Donel.«
Er nickt und tritt zurück. Die Wimpel knattern über den Köpfen der unruhigen Menge. Ich wende meine Aufmerksamkeit der Gruft zu.
Der Eingang ist mit einem Handflächenschloss versperrt. Ich muss es nur berühren.
In den vergangenen paar Minuten habe ich ein Hirngespinst entwickelt, das mich vor der zunehmenden Traurigkeit im Innern
und den äußerlichen Ereignissen schützen soll, die ich in die Wege geleitet habe. Siri ist nicht tot. In den letzten Tagen ihrer Krankheit hat sie die Ärzte und wenigen Techniker der Kolonie zusammengerufen, und sie haben ihr eine der uralten Kälteschlafkammern gebaut, wie man sie vor zwei Jahrhunderten in den Saatschiffen benutzt hat. Siri schläft nur. Mehr noch, der jahrelange Schlaf hat irgendwie ihre Jugend wiederhergestellt. Wenn ich sie wecke, wird sie die Siri sein, die ich aus unseren Anfangstagen kenne. Wir werden gemeinsam in den Sonnenschein gehen, und wenn das Farcasterportal geöffnet wird, werden wir als Erste hindurchgehen.
»Vater?«
»Ja.« Ich gehe vor und lege die Hand auf die Tür der Gruft. Ein Flüstern elektrischer Motoren ist zu hören, die weiße Steinplatte gleitet beiseite. Ich neige den Kopf und betrete Siris Grab.
»Verdammt, Merin, du sollst die Leine sichern, ehe sie dich über Bord peitscht. Beeil dich!« Ich beeilte mich. Das nasse Seil war schwer zu krümmen und noch schwerer zu binden. Siri schüttelte missbilligend den Kopf, beugte sich herüber und band mit einer Hand einen Seemannsknoten.
Es war unser Sechstes Wiedersehen. Ich war drei Monate zu spät zu ihrem Geburtstag gekommen, aber mehr als fünftausend andere hatten es zu den Feierlichkeiten geschafft. Die Präsidentin des All-Wesens hatte ihr in einer vierzigminütigen Ansprache alles Gute gewünscht. Ein Dichter las die jüngsten Sonette aus seinem Liebes-Zyklus. Der Botschafter der Hegemonie hatte ihr eine Urkunde und ein neues Schiff überreicht, ein kleines Unterseeboot, das von den
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