Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
ersten Fusionszellen angetrieben wurde, die auf Maui-Covenant erlaubt wurden.
    Siri verfügte über achtzehn weitere Schiffe. Zwölf gehörten zu ihrer Flotte schneller Katamarane, die den Handel zwischen
dem wandernden Archipel und den Heimatinseln unterhielten. Zwei waren wunderschöne Rennjachten, die nur zweimal im Jahr benützt wurden, um die Gründer-Regatta und das Covenant Criterium zu gewinnen. Bei den vier anderen Schiffen handelte es sich um uralte Fischerboote, hausbacken und unbeholfen, gut erhalten, aber wenig mehr als Schaluppen.
    Siri besaß nun neunzehn Schiffe, aber wir waren auf einem Fischerboot, der Ginnie Paul. In den vergangenen acht Tagen hatten wir in den äquatorialen Untiefen gefischt. Eine zweiköpfige Besatzung – wir hatten Netze ausgeworfen und eingeholt, waren bis zu den Knien durch stinkenden Fisch und knirschende Trilobiten gewatet, stolperten bei jeder Welle, warfen Netze aus und holten sie ein, hielten Wache und schliefen während unserer kurzen Ruheperioden wie erschöpfte Kinder. Ich war noch nicht ganz dreiundzwanzig. Ich hatte gedacht, ich hätte mich an Bord der L.A. an harte Arbeit gewöhnt, und ich hatte mir angewöhnt, jede zweite Schicht in der 1,3-ge-Kammer zu trainieren, aber jetzt taten meine Arme und mein Rücken von der Anstrengung weh und meine Hände hatten Blasen zwischen den Schwielen. Siri war gerade siebzig geworden.
    »Merin, geh nach vorn und reff das Vorsegel! Dann das Klüversegel. Und dann gehst du nach unten und machst belegte Brote. Viel Senf!«
    Ich nickte und machte mich an die Arbeit. Seit anderthalb Tagen spielten wir Verstecken mit einem Sturm: Wir segelten vor ihm, wenn wir konnten, und drehten bei und akzeptierten seine Strafe, wenn wir mussten. Anfangs war es aufregend gewesen, eine willkommene Abwechslung von dem ewigen Werfen und Ziehen und Flicken. Aber nach den ersten Stunden ließ der Adrenalinschub nach und wich konstanter Übelkeit, Erschöpfung und ständiger Müdigkeit. Das Meer gab
nicht nach. Die Wellen stiegen sechs Meter hoch und höher. Die Ginnie Paul schlingerte wie eine breite Matrone, was sie auch war. Alles war nass. Meine Haut war unter drei Schichten Regenkleidung durchnässt. Für Siri waren es Ferien, auf die sie sich schon lange gefreut hatte.
    »Das ist noch gar nichts«, sagte sie während der schwärzesten Stunde der Nacht, als die Wogen über dem Deck zusammenschlugen und gegen das narbige Plastik der Brücke schäumten. »Du solltest einmal während der Samumzeit hier sein.«
    Die Wolken hingen immer noch tief und verschmolzen in der Ferne mit den grauen Wellen, aber das Meer hatte sich beruhigt und ging nur noch anderthalb Meter hoch. Ich strich Senf auf die Roastbeefbrote und schenkte dampfenden Kaffee in dicke, weiße Tassen. Es wäre leichter gewesen, den Kaffee in Nullschwerkraft zu transportieren, als ihn, ohne etwas zu verschütten, den schwankenden Schaft der Treppe hinaufzubringen. Siri akzeptierte ihre übergeschwappte Tasse kommentarlos. Wir saßen eine Weile schweigend da und genossen die Brote und die Wärme, die die Zunge verbrühte. Ich übernahm das Steuer, als Siri nach unten ging, um die Tassen nachzufüllen. Der graue Tag ging fast unmerklich in die Nacht über.
    »Merin«, sagte sie, nachdem sie mir meine Tasse gegeben und auf der langen, gepolsterten Bank Platz genommen hatte, die rings um die Brücke verlief, »was wird geschehen, wenn sie den Farcaster öffnen?«
    Die Frage überraschte mich. Wir hatten uns fast nie über den Zeitpunkt unterhalten, wenn Maui-Covenant in die Hegemonie aufgenommen werden würde. Ich sah Siri an und stellte betroffen fest, wie alt sie plötzlich wirkte. Ihr Gesicht war ein Mosaik aus Furchen und Schatten. Die wunderschönen grünen Augen waren in tiefe Höhlen gesunken, die Wangenknochen waren Messerklingen unter brüchigem Pergament.
Sie hatte das graue Haar kurz geschnitten, nun stand es als nasse Dornen vom Kopf ab. Ihr Hals und die Handgelenke waren knotige Kordeln, die aus einem unförmigen Pullover ragten.
    »Was meinst du damit?«, fragte ich.
    »Was wird passieren, wenn sie den Farcaster öffnen?«
    »Du weißt, was der Rat sagt, Siri.« Ich sprach laut, weil sie auf einem Ohr schwerhörig war. »Es wird eine neue Ära des Handels und der Technologie für Maui-Covenant eröffnen. Und du wirst nicht mehr an eine einzige kleine Welt gefesselt sein. Wenn ihr zu Bürgern der Hegemonie werdet, können alle die Farcastertore benützen.«
    »Ja«, sagte Siri.

Weitere Kostenlose Bücher