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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Metallstreben anzubringen.
    Dann geschah alles sehr schnell. Bertol kam noch einen Schritt näher, und Mike ließ den grünen Strahl fast beiläufig über ihn gleiten. Der Kolonist stieß einen Schrei aus und sprang zurück; eine rauchende schwarze Linie zog sich diagonal über sein Hemd. Ich zögerte. Mike hatte die Energie so gering wie möglich eingestellt. Zwei von Bertols Freunden kamen nach vorne, und Mike strich mit dem Lichtstrahl über
ihre Schienbeine. Einer sank fluchend auf die Knie, der andere hüpfte heulend davon und hielt sich ein Bein.
    Eine Menge hatte sich eingefunden. Die Leute lachten, als sich Mike erneut verbeugte und die Narrenkappe abzog. »Ich danke Ihnen«, sagte Mike. »Meine Mutter dankt Ihnen.«
    Siris Cousin tobte vor Zorn. Speichel troff ihm von Lippen und Kinn. Ich drängte mich durch die Menge und trat zwischen Mike und den großen Kolonisten.
    »Hey, beruhigt euch!«, rief ich. »Wir gehen. Wir brechen gleich auf.«
    »Verdammt, Merin, geh mir aus dem Weg!«, sagte Mike.
    »Schon gut«, sagte ich, während ich mich zu ihm umdrehte. »Ich bin mit einem Mädchen namens Siri hier, und die hat einen …« Bertol kam einen Schritt näher und stieß mit dem Schwert an mir vorbei. Ich schlang den linken Arm um seine Schulter und stieß ihn zurück. Er fiel wie ein Sack ins Gras.
    »O Scheiße«, sagte Mike, während er mehrere Schritte zurückwich. Er sah müde und ein wenig angewidert aus, wie er sich auf eine Steinstufe setzte. »Au, verdammt «, sagte er leise. In einem der schwarzen Karos an der linken Seite des Harlekinskostüms war eine kurze rote Linie zu sehen. Vor meinen Augen quoll der kleine Schnitt über, Blut floss über Mike Oshos breiten Bauch.
    »Herrgott, Mike!« Ich riss einen Streifen Stoff von meinem Hemd und versuchte, die Blutung zu stillen. Ich konnte mich an keine der Unfallmaßnahmen erinnern, die man uns als Mittschiffsleuten beigebracht hatte. Ich tastete nach dem Handgelenk, aber mein Komlog war nicht da. Wir hatten sie an Bord der Los Angeles gelassen.
    »Ist nicht so schlimm, Mike«, keuchte ich. »Nur ein kleiner Kratzer.« Das Blut strömte über mein Handgelenk.
    »Es reicht«, sagte Mike. Seine Stimme wurde nur von den
starken Schmerzen im Zaum gehalten. »Verdammt! Ein Scheißschwert! Kannst du das glauben, Merin? Im besten Mannesalter von einem verdammten Säbel aus einer beschissenen Groschenoper niedergestreckt. O verdammt, die Schande!«
    »Dreigroschenoper«, sagte ich und nahm die andere Hand. Der Stoff war blutdurchtränkt.
    »Weißt du, was dein Scheißproblem ist, Merin? Du kommst immer mit deinen beschissenen zwei Groschen daher. Auuuuu!« Mikes Gesicht wurde weiß, dann grau. Er ließ das Kinn auf die Brust sinken und holte tief Luft. »Drauf gepfiffen, Junge. Gehen wir heim, hm?«
    Ich sah über die Schulter. Bertol zog langsam mit seinen Freunden ab. Der Rest der Menge war erschrocken stehengeblieben. »Ruft einen Arzt!«, schrie ich. »Bringt Mediziner her!« Zwei Männer liefen die Straße hinab. Von Siri war nichts zu sehen.
    »Moment mal! Moment mal!«, sagte Mike mit kräftigerer Stimme, als hätte er etwas Wichtiges vergessen. »Nur einen Moment«, sagte er und starb.
    Starb. Einen richtigen Tod, klinisch tot. Er machte den Mund obszön auf, verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war, und etwas später quoll kein Blut mehr aus der Wunde.
    Ein paar Sekunden lang verfluchte ich den Himmel. Ich konnte sehen, wie die L.A. über das verblassende Sternenzelt zog, und ich wusste, ich konnte Mike retten, wenn ich ihn binnen weniger Minuten dorthin brachte. Die Menge wich zur ück, während ich tobte und zu den Sternen fluchte.
    Schließlich wandte ich mich an Bertol. »Du«, schrie ich.
    Der junge Mann war am anderen Ende des Parks stehengeblieben. Sein Gesicht war aschfahl. Er sah mich wortlos an.

    »Du«, schrie ich noch einmal. Ich hob den Laserschreiber auf, der weggerollt war, schaltete auf Maximum und ging auf Bertol zu, der wartend zwischen seinen Freunden stand.
    Später bekam ich durch den Nebel aus Schreien und verbranntem Fleisch vage mit, wie Siris Gleiter auf dem überfüllten Platz landete, wie Staub ringsum aufwirbelte und wie ihre Stimme mir befahl, zu ihr zu kommen. Wir flogen der Menge und dem Wahnsinn davon. Der kühle Wind wehte mir das schweißnasse Haar vom Hals.
    »Wir fliegen nach Fevarone«, sagte Siri. »Bertol war betrunken. Die Separatisten sind eine kleine, gewalttätige Gruppe. Es wird keine

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