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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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lockig, aber kurz geschnitten, die Haut schien von einer gütigen Sonne gebräunt und mit Körperfarbe leicht vergoldet worden zu sein, Kleidung und ARNistrie waren teuer und auffällig, ohne übertrieben zu wirken, und sein Gebaren drückte die entspannte Selbstsicherheit aus, von der alle Männer träumten und die nur die wenigsten wirklich besaßen. Dass er geistreich war, bewies er überdeutlich, er schenkte anderen aufrichtig seine Aufmerksamkeit, und sein Humor war Legende.
    Ich konnte den Hurensohn von Anfang an nicht ausstehen.
    »Alles ist eine Kunstform, M. Chier, M. Severn.« Reynolds lächelte. »Oder muss eine werden. Wir haben den Punkt über überschritten, an dem der Krieg nur noch die ungehobelte Fortführung der Politik mit anderen Mitteln sein kann.«
    »Diplomatie«, sagte General Morpurgo links von Reynolds.
    »Pardon, General?«
    »Diplomatie«, sagte er. »Und er ist die ›Fortsetzung von‹, nicht die ›Fortführung von‹.«

    Spenser Reynolds verbeugte sich und drehte die Hand ein wenig. Sudette Chier und Tyrena lachten leise. Das Abbild von Ratgeber Albedo beugte sich links von mir nach vorn und sagte: »Von Clausewitz, soweit ich weiß.«
    Ich warf dem Ratgeber einen Blick zu. Eine tragbare Projektionseinheit, nicht viel größer als die leuchtenden Sommerfäden, die durch die Äste schwebten, verharrte zwei Meter über und hinter ihm. Die Illusion war nicht so perfekt wie im Regierungshaus, aber weitaus besser als jedes private Holo, das ich jemals gesehen hatte.
    General Morpurgo nickte dem Repräsentanten des Core zu.
    »Wie auch immer«, sagte Chier. »Der Einfall , Krieg als Kunstform zu betrachten, ist brillant.«
    Ich aß den Salat auf, woraufhin ein menschlicher Kellner den Teller abräumte und eine dunkelgraue Suppe servierte, die ich nicht kannte. Sie schmeckte geräuchert, schwach nach Zimt und Meer und war köstlich.
    »Der Krieg ist das perfekte Medium für einen Künstler«, begann Reynolds und hielt sein Salatbesteck schräg wie einen Schläger. »Und nicht nur für die … Handwerker, die die sogenannte Wissenschaft des Krieges studiert haben.« Er lächelte Morpurgo und anderen FORCE-Offizieren rechts von dem General zu und klammerte sie damit aus seinen Überlegungen aus. »Nur jemand, der bereit ist, über den bürokratischen Horizont von Taktik und Strategie und den veralteten Willen zu ›siegen‹ hinauszuschauen, kann einem so komplizierten Medium wie der Kriegführung in unserer modernen Zeit wahre künstlerische Züge abgewinnen.«
    »Den veralteten Willen zu siegen?«, sagte ein FORCE-Offizier. Die Datensphäre flüsterte mir zu, dass es sich um Kommandant William Ajunta Lee handelte, einen Marinehelden aus dem Maui-Covenant-Konflikt. Er sah jung aus – schätzungsweise Mitte fünfzig –, und sein Rang deutete darauf hin, dass
diese Jugend auf jahrelanges Reisen zwischen den Sternen zur ückzuführen war, nicht auf Poulsen.
    »Selbstverständlich veraltet«, erwiderte Reynolds lachend. »Glauben Sie, ein Bildhauer möchte den Ton besiegen ? Greift ein Maler die Leinwand an? Und was das betrifft, greift ein Adler oder ein Falke den Himmel an?«
    »Adler sind ausgestorben«, knurrte Morpurgo. »Vielleicht hätten sie den Himmel angreifen sollen. Der hat sie verraten.«
    Reynolds drehte sich wieder zu mir um. Kellner räumten seinen restlichen, verschmähten Salat ab und servierten die Suppe, die ich gerade auslöffelte. »M. Severn, Sie sind doch Künstler – zumindest ein Illustrator. Helfen Sie mir, diesen Leuten zu erklären, was ich meine.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.« Während ich auf den nächsten Gang wartete, klopfte ich an mein Weinglas. Es wurde unverzüglich wieder gefüllt. Vom Kopf der Tafel, zehn Meter entfernt, hörte ich Gladstone, Hunt und einige der Treuhänder lachen.
    Spenser Reynolds schien meine Unwissenheit nicht zu überraschen. »Wenn unsere Spezies das wahre Satori erreichen will, wenn wir der nächsten Stufe des Bewusstseins und der Evolution teilhaftig werden wollen, die so viele unserer Philosophen verkünden, dann müssen alle menschlichen Verrichtungen bewusste Versuche werden, Kunst zu schaffen.«
    General Morpurgo trank einen kräftigen Schluck und knurrte: »Einschließlich solcher Körperfunktionen wie Essen, Vermehrung und das Ausscheiden von Produkten, nehme ich an.«
    »Gerade solche Funktionen!«, rief Reynolds. Er breitete die Arme aus und schloss den langen Tisch und die zahlreichen Gaumenfreuden in die

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