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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Die Augen des Tempelritters waren auf etwas über den Felswänden gerichtet. Sol sah auf, erblickte aber nur den fahlen Himmel.
    »Der Baum!«, rief der Tempelritter wieder und hob eine aufgeschürfte Hand.
    Duré hielt den Mann fest. »Er hat Halluzinationen. Er glaubt, er sieht die Yggdrasil , sein Baumschiff.«
    Het Masteen kämpfte gegen Durés Griff. »Nein, nicht die Yggdrasil «, keuchte er mit trockenen Lippen, »der Baum. Der Letzte Baum. Der Baum der Schmerzen!«
    Beide Männer blickten auf, aber der Himmel war leer, abgesehen von ein paar Wölkchen, die im Südwesten vorbeizogen. In diesem Augenblick kam eine Flutwelle der Zeitgezeiten, worauf Sol und der Priester, von plötzlichem Schwindelgefühl erfasst, die Köpfe senkten. Es ging vorbei.
    Het Masteen versuchte aufzustehen. Die Augen des Tempelritters waren immer noch auf etwas weit Entferntes gerichtet. Seine Haut war so heiß, dass sie Sol fast die Hände verbrannte.
    »Holen Sie das letzte Medpack«, sagte Sol. »Programmieren Sie Ultramorphin und das Antifieberagens.« Duré gehorchte hastig.
    »Der Baum der Schmerzen!«, brachte Het Masteen heraus. »Ich sollte seine Stimme werden! Der Erg soll ihn durch Raum und Zeit befördern! Der Bischof und die Stimme des Großen Baums haben mich auserkoren! Ich darf sie nicht im Stich lassen.« Er wehrte sich noch einen Moment gegen Sols Arme, dann sank er wieder auf die Steinterrasse. »Ich bin der Wahre Auserwählte«, flüsterte er, während die Energie aus ihm wich
wie Luft aus einem aufgerissenen Ballon. »Ich muss den Baum der Schmerzen während der Zeit der Buße leiten.« Er schloss die Augen.
    Duré legte das letzte Medpack auf, vergewisserte sich, dass der Monitor auf die Eigenheiten von Het Masteens Metabolismus und Körperchemie eingestellt war, dann löste er Adrenalin und Schmerzstiller aus. Sol kauerte über der Gestalt in der Robe.
    »Das ist weder Tempelritterterminologie noch Theologie«, sagte Duré. »Er verwendet die Sprache des Shrike-Kults.« Der Priester sah Sol in die Augen. »Das erklärt das Geheimnis teilweise  – besonders nach Brawnes Geschichte. Aus irgendeinem Grund haben die Tempelritter mit der Kirche der Letzten Buße gemeinsame Sache gemacht – mit dem Shrike-Kult.«
    Sol nickte, schob sein Komlog über Masteens Handgelenk und justierte den Monitor.
    »Der Baum der Schmerzen muss der sagenhafte Dornenbaum des Shrike sein«, überlegte Duré und sah zum freien Himmel, wohin Masteens Blick gewandert war. »Aber was meint er damit, dass er und der Erg auserkoren sind, ihn durch Raum und Zeit zu steuern? Glaubt er wirklich, dass er den Baum des Shrike steuern kann wie die Tempelritter ihre Baumschiffe? Warum?«
    »Das müssen Sie ihn im nächsten Leben fragen«, sagte Sol niedergeschlagen. »Er ist tot.«
    Duré überprüfte die Monitore und fügte noch Lenar Hoyts Komlog der Anordnung hinzu. Sie versuchten es mit Wiederbelebungsstimuli des Medpack, CPR und Mund-zu-Mund-Beatmung. Die Anzeigen der Monitore regten sich nicht. Het Masteen, Wahre Stimme des Baums der Tempelritter und Pilger zum Shrike, war wirklich und wahrhaftig tot.
     
    Sie warteten eine Stunde lang und rechneten in diesem perversen Tal des Shrike mit allem, aber als die Monitore die zunehmende
Verwesung des Leichnams anzeigten, begruben sie Masteen in einem flachen Grab fünfzig Meter entfernt neben dem Pfad zum Eingang des Tals. Kassad hatte einen Klappspaten hinterlassen – der im Sprachgebrauch von FORCE mit der Aufschrift »Grabwerkzeug« versehen war –, die Männer gruben abwechselnd, während der andere auf Rachel und Brawne Lamia aufpasste.
    Die beiden Männer, einer mit einem Kind auf den Armen, standen im Schatten eines Felsblocks, während Duré ein paar Worte sprach, bevor Erde auf das behelfsmäßige Leichentuch aus Fiberplastik geschüttet wurde.
    »Ich habe M. Masteen eigentlich nicht gekannt«, sagte der Priester. »Wir gehörten nicht demselben Glauben an. Aber wir hatten denselben Beruf. Stimme des Baums Masteen verrichtete den größten Teil seines Lebens etwas, das er als Gottes Werk betrachtete, suchte Gottes Willen in den Schriften des Muir und der Schönheit der Natur. Er besaß wahren Glauben – der von Problemen auf die Probe gestellt, durch Gehorsam gestärkt und am Ende durch ein Opfer besiegelt wurde.« Duré hielt inne und sah blinzelnd zum Himmel, der Grau wie ein Flintenlauf geworden war. »Bitte nimm Deinen Diener auf, o Herr. Heiße ihn in Deinen Armen willkommen, wie

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