Die Hyperion-Gesänge
Du dereinst uns willkommen heißen wirst, Deine anderen Suchenden, die vom rechten Weg abgekommen sind. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.«
Rachel fing an zu weinen. Sol ging mit ihr auf und ab, während Duré Erde auf das menschenförmige Bündel in Fiberplastik schaufelte.
Sie kehrten zur Veranda der Sphinx zurück und rückten Brawne behutsam in das letzte verbliebene Restchen Schatten. Vor der Nachmittagssonne konnten sie sie nicht schützen, es sei denn, sie hätten sie in das Grab selbst hineingetragen, und das wollten beide Männer nicht.
»Der Konsul muss mittlerweile die halbe Strecke zum Schiff hinter sich haben«, sagte der Priester, nachdem er einen großen Schluck Wasser getrunken hatte. Der Mann hatte einen Sonnenbrand auf der schweißbedeckten Stirn.
»Ja«, sagte Sol.
»Morgen um diese Zeit müsste er wieder hier sein. Wir befreien Brawne mit Laserschneidern und bringen sie in die Krankenstation des Schiffs. Vielleicht können wir Rachels Rückwärtsaltern in kryonischem Kälteschlaf aufhalten – was die Ärzte auch immer sagen mögen.«
»Ja.«
Duré ließ die Wasserflasche sinken und sah Sol an. »Glauben Sie, dass es so kommen wird?«
Sol erwiderte den Blick. »Nein.«
Schatten erstreckten sich von den südwestlichen Felswänden. Die Hitze des Tages war zu etwas Festem geronnen, dann hatte sie ein wenig nachgelassen. Im Süden zogen sich Wolken zusammen.
Rachel schlief im Schatten neben der Tür. Sol ging zu Paul Duré, der etwas abseits stand und in das Tal blickte, und legte dem Priester eine Hand auf die Schulter. »Worüber denken Sie nach, mein Freund?«
Duré drehte sich nicht um. »Ich denke, wenn ich nicht zutiefst überzeugt wäre, dass Selbstmord eine Todsünde ist, würde ich meinem Leben ein Ende machen und dem jungen Hoyt damit eine Chance geben.« Er sah Sol mit der Andeutung eines Lächelns an. »Aber ist es Selbstmord, wenn dieser Parasit auf meiner Brust – auf seiner Brust – mich eines Tages strampelnd und schreiend zu meiner eigenen Wiederauferstehung schleppen würde?«
»Wäre es eine gute Gabe für Hoyt«, fragte Sol leise, »ihn in diese Situation zurückzubringen?«
Duré schwieg einen Augenblick lang. Dann ergriff er Sol am Oberarm. »Ich glaube, ich mache einen Spaziergang.«
»Wohin?« Sol sah blinzelnd in die stehende Hitze des Wüstennachmittags hinaus. Unter der dünnen Wolkendecke war das Tal wie ein Backofen.
Der Priester machte eine unbestimmte Geste. »Das Tal hinab. Ich bin bald wieder da.«
»Seien Sie vorsichtig«, sagte Sol. »Und vergessen Sie nicht, wenn der Konsul über dem Hoolie auf einen Patrouillengleiter trifft, könnte er schon heute Nachmittag zurück sein.«
Duré nickte, holte eine Wasserflasche und streichelte Rachel zärtlich; dann schritt er die lange Treppe der Sphinx hinab – vorsichtig und zaghaft, wie ein sehr alter Mann.
Sol sah ihm nach, wie er immer kleiner wurde und Entfernung und Hitzeflimmern seine Gestalt verzerrten. Dann seufzte Sol und setzte sich wieder neben seine Tochter.
Paul Duré versuchte, sich im Schatten zu halten, aber selbst dort war die Hitze niederdrückend und lag ihm wie ein schweres Joch auf den Schultern. Er ging am Jadegrab vorbei und folgte dem Pfad zu den nördlichen Felsklippen und dem Obelisken. Der schlanke Schatten dieses Grabs malte Dunkelheit auf das rötliche Gestein und den Staub auf dem Talboden. Duré ging weiter abwärts, schritt durch die Trümmer rund um den Kristallmonolithen und blickte auf, als ein schwacher Wind zerschellte Scheiben bewegte und durch Risse hoch oben im Antlitz des Grabes pfiff. Er sah sein Spiegelbild in den unteren Flächen und musste an das Orgelspiel des Abendwinds denken, der aus der Kluft wehte, als er die Bikura hoch oben auf dem Pinion-Plateau gefunden hatte. Das schien Äonen her zu sein. Es war Äonen her.
Duré spürte die Schäden, die die Rekonstruktion durch die Kruziform seinem Verstand und seiner Erinnerung angetan
hatte. Es war zum Verrücktwerden – so, als hätte man einen Schlaganfall gehabt und keine Hoffnung auf Besserung. Ausführungen, die einmal ein Kinderspiel für ihn gewesen waren, erforderten jetzt höchste Konzentration oder lagen schlichtweg außerhalb seiner Fähigkeiten. Worte fielen ihm nicht ein. Emotionen überkamen ihn mit derselben unvermittelten Heftigkeit wie die Gezeiten der Zeit. Mehrmals hatte er sich von den anderen Pilgern entfernen müssen und weinte in seiner
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