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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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wollte aber keine Zeit vergeuden. Sein Sonnenbrand tat weh, er zitterte, während Regen von seinem Hut troff.
    Sol hat gesagt, wenn ich bis Einbruch der Nacht zurück bin, wäre alles in Ordnung. Rachel kam nach zwölf-null-null Uhr zur Welt, auf Hyperion-Zeit umgerechnet. Wenn das stimmt, wenn es kein Irrtum ist, hat sie Zeit bis heute Abend acht Uhr. Der Konsul wischte sich Wasser von Wangen und Augenbrauen. Sagen wir noch sieben Stunden bis Keats. Eine Stunde oder zwei, bis ich das Schiff freibekommen habe. Theo wird mir helfen – er ist jetzt Generalgouverneur. Ich kann ihn davon überzeugen, dass es im Interesse der Hegemonie ist, sich über Gladstones Befehl hinwegzusetzen, dass das Schiff unter Quarantäne steht. Wenn nötig, werde ich ihm sagen, dass sie mir den Auftrag gegeben hat, mich mit den Ousters zu verbünden und das Netz zu verraten.

    Sagen wir zehn Stunden plus fünfzehn Minuten Flug mit dem Schiff. Müsste noch mindestens eine Stunde bis Sonnenuntergang bleiben. Rachel wird nur ein paar Minuten alt sein, aber … Was? Was können wir versuchen, abgesehen von den Kammern für die kryonische Fuge? Nichts. Wir müssen es tun. Das war immer Sols letzte Chance, obwohl die Ärzte meinen, es könnte der Tod des Kindes sein. Aber was ist mit Brawne?
    Der Konsul war durstig. Der Regen hatte nachgelassen und bildete nur noch feinen Nieseldunst, der ausreichte, Lippen und Zunge zu benetzen und ihn noch durstiger zu machen. Er fluchte leise und ging langsam tiefer. Vielleicht konnte er gerade so lange über dem Fluss schweben, dass er eine Flasche füllen konnte …
    Die Schwebematte gab dreißig Meter über dem Fluss den Geist auf. Eben noch sank sie langsam und sanft wie ein Teppich auf einer glatten Glasebene nach unten, und im nächsten Augenblick taumelte und trudelte sie unkontrolliert, ein zwei Meter langer Teppich und ein zu Tode erschrockener Mann, der aus dem Fenster eines zehnstöckigen Gebäudes geworfen wurde.
    Der Konsul schrie und versuchte zu springen, aber das Seil, das ihn mit dem Teppich verband, und der Gurt der Reisetasche verwickelten ihn in die trudelnde Masse der Schwebematte, und so stürzte er mit dieser zusammen die letzten zwanzig Meter auf die harte Oberfläche des Hoolie.
    29
    Sol Weintraub hatte in der Nacht, als der Konsul aufbrach, die allergrößten Hoffnungen. Endlich unternahmen sie etwas. Oder versuchten es zumindest. Sol glaubte nicht, dass die kryonischen Kammern im Schiff des Konsuls die Lösung für Rachels Rettung sein würden – medizinische Experten auf Renaissance
Vector hatten auf die außerordentlichen Gefahren dieser Vorgehensweise hingewiesen –, aber es war gut, eine Alternative zu haben, irgendeine Alternative. Und Sol war der Meinung, dass sie lange genug untätig gewesen waren und auf die Launen des Shrike gewartet hatten wie verurteilte Verbrecher auf die Guillotine.
    Das Innere der Sphinx schien in dieser Nacht gefährlich zu sein, daher schaffte Sol ihre Habseligkeiten auf die breite Granitveranda des Grabs hinaus, wo er und Duré versuchten, es Masteen und Brawne mit Decken und Mänteln und Rucksäcken als Kissen so bequem wie möglich zu machen. Brawnes Medmonitore zeigten nach wie vor keinerlei Gehirntätigkeit, während ihr Körper behaglich ruhte. Masteen wälzte und wand sich im Griff des Fiebers.
    »Was, meinen Sie, hat der Tempelritter?«, fragte Duré. »Eine Krankheit?«
    »Es könnte auch schlicht und ergreifend Unterernährung sein«, erwiderte Sol. »Nachdem er vom Windwagen entführt wurde, musste er durch das Ödland und das Tal der Zeitgräber wandern. Er aß Schnee, um Flüssigkeit zu bekommen, und hatte überhaupt keine Nahrung.«
    Duré nickte und untersuchte das FORCE-Medpack, das sie an der Innenseite von Masteens Arm befestigt hatten. Die Anzeigen verrieten das konstante Tröpfeln einer intravenösen Lösung. »Aber mir scheint es etwas anderes zu sein«, sagte der Jesuit. »Eher Wahnsinn.«
    »Tempelritter besitzen eine fast telepathische Verbindung zu ihren Baumschiffen«, sagte Sol. »Die Stimme des Baums muss Masteen schon verrückt gemacht haben, als er die Zerstörung der Yggdrasil mit ansehen musste. Besonders wenn er irgendwie wusste, dass sie notwendig war.«
    Duré nickte und tupfte dem Tempelritter die wächserne Stirn mit einem Schwamm ab. Es war nach Mitternacht,
Wind war aufgekommen, der um die Schwingen und unebenen Kanten der Sphinx heulte und den karmesinroten Staub in trägen Spiralen aufwirbelte. Die

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