Die Hyperion-Gesänge
es am einfachsten, euch alle drei zu schocken und dich so schnell wie möglich rauszuholen.« Er schiebt die archaische Brille mit einem sattsam bekannten Fingerschnalzen die Nase hinauf, dreht sich um und grinst den Konsul an. »Altes Söldnersprichwort: Töte alle und lass Gott sie aussortieren.«
Der Konsul schafft es, sich so viel zu bewegen, dass er einen Laut von sich geben und ein wenig auf seine Wange und das Leder des Sitzes sabbern kann.
»Bleib noch für einen Moment ruhig«, sagt Theo, der seine Aufmerksamkeit den Instrumenten und der Szenerie draußen zuwendet. »Zwei oder drei Minuten, und du solltest wieder sprechen können. Ich bleibe unten und fliege langsam, darum dürften wir etwa zehn Minuten bis nach Keats brauchen.« Er blickt seinen Passagier an. »Du hast Glück gehabt. Du musst völlig ausgetrocknet sein. Die beiden anderen haben sich die Hosen nass gemacht, als sie gestürzt sind. Humane Waffen, diese Schocker, aber peinlich, wenn man keine Unterwäsche zum Wechseln dabeihat.«
Der Konsul versucht, seiner Meinung über diese »humane Waffe« Ausdruck zu verleihen.
»Noch ein paar Minuten«, sagt Theo Lane, Generalgouverneur, und tupft die Wange des Konsuls mit einem Taschentuch ab. »Ich sollte dir aber sagen, es kann etwas unangenehm werden, wenn die Schockwirkung nachlässt.«
In diesem Augenblick bohren sich mehrere tausend Nadeln und Nägel in den Körper des Konsuls.
»Wie hast du mich nur gefunden?«, fragt der Konsul. Sie befinden sich ein paar Kilometer über der Stadt, immer noch über dem Hoolie. Er kann aufsitzen, seine Worte sind mehr oder weniger zusammenhängend, aber der Konsul ist froh, dass er noch ein paar Minuten Zeit hat, bis er aufstehen und gehen muss.
»Was?«
»Ich habe gesagt, wie hast du mich nur gefunden? Woher konntest du wissen, dass ich den Hoolie entlang zurückgeflogen war?«
»Präsidentin Gladstone hat mich via Fatline informiert. Streng geheim über den alten Einwegempfänger des Konsulats.«
»Gladstone?« Der Konsul schüttelt die Hände und versucht wieder Gefühl in die Finger zu bekommen, die so nützlich wie Gummiwürste sind. »Und wie, um alles in der Welt, konnte Gladstone wissen, dass ich auf dem Hoolie in Schwierigkeiten bin? Ich habe den Komlogempfänger von Großmutter Siri im Tal zurückgelassen, damit ich die anderen Pilger informieren könnte, wenn ich das Schiff erreicht hatte. Wie konnte Gladstone das wissen?«
»Ich weiß nicht, aber sie hat deine ungefähre Position durchgegeben, und dass du in Schwierigkeiten bist. Sie hat sogar gesagt, dass du mit einer Schwebematte unterwegs warst, die abgestürzt ist.«
Der Konsul schüttelt den Kopf. »Diese Dame verfügt über Mittel, von denen wir nicht zu träumen wagen, Theo.«
»Ja, Sir.«
Der Konsul sieht seinen Freund an. Theo Lane war jetzt seit über einem Jahr Generalgouverneur der frischgebackenen
Protektoratswelt Hyperion, aber alte Gewohnheiten schüttelt man nur schwer ab, und das »Sir« stammt noch aus den sieben Jahren, die Theo als Vizekonsul und Chef-Attaché für den Konsul gearbeitet hat. Als er den jungen Mann zum letzten Mal gesehen hat – der gar nicht mehr so jung ist, erkennt der Konsul jetzt, die Verantwortung hat diesem jugendlichen Gesicht Linien und Falten aufgedrückt –, war Theo Lane wütend gewesen, weil der Konsul nicht das Amt des Generalgouverneurs übernehmen wollte. Das war vor etwas mehr als einer Woche gewesen. Vor Zeitspannen und Äonen.
»Übrigens«, sagt der Konsul, der jedes Wort deutlich betont, »danke, Theo.«
Der Generalgouverneur nickt in Gedanken. Er fragt nicht, was der Konsul nördlich der Berge gesehen hat, auch nicht nach dem Schicksal der anderen Pilger. Unter ihnen wird der Hoolie breiter und windet sich der Hauptstadt Keats entgegen. Weiter hinten ragen auf beiden Seiten niedrige Klippen empor, deren Granithänge schwach im Abendlicht schimmern. Immerblausträucher wiegen sich im Wind.
»Theo, wie konntest du Zeit finden, persönlich nach mir zu suchen? Die Situation auf Hyperion muss der reine Wahnsinn sein.«
»Stimmt.« Theo befiehlt dem Autopiloten zu übernehmen und dreht sich zum Konsul um. »Es ist eine Frage von Stunden – vielleicht Minuten –, bis die Ouster-Invasion tatsächlich stattfindet.«
Der Konsul blinzelt. »Stattfindet? Du meinst, sie landen?«
»Genau.«
»Aber die Flotte der Hegemonie …«
»Ist in völligem Chaos. Sie konnten kaum gegen den Schwarm bestehen, bevor die Invasion des
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