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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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darin, dass sie nahe genug an den Schleusen vorbeigehen und er in das tiefe und reißende Wasser dort springen und versuchen kann, mit auf den Rücken gefesselten Händen über Wasser zu bleiben, bis ihn das Labyrinth der kleinen Inseln unterhalb dieser Stelle verbirgt.
    Aber er ist zu erschöpft zum Schwimmen, selbst wenn seine Arme frei wären. Und die Waffen der beiden Männer würden ihn problemlos erreichen, selbst wenn er zwischen den
Inseln und dem Treibgut zehn Minuten Vorsprung bekäme. Der Konsul ist zu müde, um listig zu sein, und zu alt, um tapfer zu sein.
    Er denkt an seine Frau und seinen Sohn, die seit vielen Jahren tot sind – in der Schlacht auf Bressia von Männern ermordet, die ebensowenig Ehre wie diese beiden Kreaturen besaßen. Der Konsul ist nur traurig, weil er sein Versprechen nicht einhalten kann, den anderen Pilgern zu helfen. Traurig darüber und weil er nicht miterleben kann, wie alles ausgehen wird.
    Obem hinter ihm spuckt aus. »Scheyß drauf, Chez, hm? Sage, wir setzen ihn hier bey und schlitzen ihn auf und bringen ihn zum Reden, hm? Dann gehn wir eynsamerweis zur Barke, falls eine Barke da sey.«
    Chez dreht sich um, reibt sich Schweiß aus den Augen, sieht den Konsul finster und nachdenklich an und sagt: »He, ja, ich denke, zeitweys und redeweys hast du recht, aber sieh zu, dass er bey Ende noch redfähig sey, hm?«
    »Klar.« Obem grinst, schultert die Waffe und holt die Nullklinge heraus.
    »KEINE BEWEGUNG!«, dröhnt eine Stimme von oben. Der Konsul fällt auf die Knie, die Ex-SST-Banditen nehmen die Waffen mit geübter Schnelligkeit zur Hand. Ein Brausen ertönt, ein Dröhnen, Zweige und Staub peitschen um sie herum, der Konsul blickt auf und sieht den wolkenverhangenen Abendhimmel wogen , und zwar unterhalb der Wolken, nimmt eine Andeutung von Masse wahr, die sich niedersenkt, und dann hebt Chez seine Projektilwaffe und Obem legt den Werfer an, und dann fallen sie alle drei hin, kippen um, nicht wie erschossene Soldaten, nicht wie Rückstoßelemente einer ballistischen Gleichung, sondern so wie der Baum, den Obem gefällt hat.
    Der Konsul landet Gesicht voraus im Staub und bleibt ohne zu blinzeln liegen – außerstande zu blinzeln.

    Schockwaffen, denkt er durch Synapsen, die so träge wie Alt öl geworden sind.
    Ein örtlich begrenzter Zyklon bricht los, als etwas Großes und Unsichtbares zwischen den drei Männern im Sand des Flussufers landet. Der Konsul hört, wie sich eine Luftschleuse surrend auftut und das interne Klicken von Rückstoßturbinen unter Schwebgrenze sinkt. Er kann immer noch nicht blinzeln, geschweige denn den Kopf heben, und sein Gesichtsfeld ist auf mehrere Kiesel, eine Dünenlandschaft aus Sand, einen kleinen Wald aus Grashalmen und eine Baumeisterameise begrenzt, die auf diese Entfernung riesig aussieht und ein plötzliches Interesse am feuchten, starren Auge des Konsuls gefunden zu haben scheint. Die Ameise dreht sich um, damit sie den halben Meter zwischen sich und ihrer feuchten Beute zurücklegen kann, und der Konsul denkt: Beeilung , als er die langsamen Schritte hinter sich hört.
    Hände greifen ihm unter die Arme, ein Knurren, eine bekannte, aber nervöse Stimme sagt: »Verdammt, du hast zugenommen.«
    Die Absätze des Konsuls schleifen auf dem Boden, holpern über die verkrümmten Finger von Chez oder möglicherweise Obem – der Konsul kann den Kopf nicht drehen und nach den Gesichtern sehen. Auch seinen Retter kann er nicht erkennen, bis er – mit einer langen Litanei verhaltener Flüche neben dem Ohr – durch die Steuerbordkuppelschleuse des abgetarnten Gleiters gebracht und auf den langen, weichen, zurückgeklappten Passagiersitz gelegt wird.
    Generalgouverneur Theo Lane taucht im Gesichtsfeld des Konsuls auf, und er sieht jungenhaft, aber gleichzeitig ein wenig dämonisch aus, als sich die Schleuse senkt und die roten Innenlämpchen sein Gesicht erhellen. Er beugt sich herüber und lässt die Unfallnetzschnallen auf der Brust des Konsuls einrasten. »Tut mir leid, dass ich dich zusammen mit
den beiden anderen schocken musste.« Theo lehnt sich zurück, lässt sein eigenes Netz einrasten und betätigt die Omnikontrolle.
    Der Konsul spürt, wie der Gleiter erbebt, abhebt und eine Sekunde lang schwebt, ehe er wie auf Kugellagern ohne Reibung nach links kippt.
    »Ich hatte keine andere Wahl«, sagt Theo über die leisen internen Geräusche des Gleiters hinweg. »Diese Dinger hier dürfen als einziges Aufruhrschocker tragen, daher war

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