Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
zur Verfügung stehen, Kommunikation mit jedwedem selbstverständlich ist und sich kein Ort weiter als einen Farcasterschritt entfernt befindet, ist dieser plötzliche Rückfall in das Leben, das unsere Vorfahren geführt haben, als würde man plötzlich blind und verkrüppelt erwachen. Nach dem Wüten und Toben der ersten Stunden unseres Fußmarschs versinkt Hunt schließlich in verdrossenes Schweigen.
    »Aber die Präsidentin braucht mich!«, hatte er während der ersten Stunde geschrien.
    »Sie braucht die Informationen, die ich ihr bringen wollte«, sagte ich, »aber da kann man nichts machen.«
    »Wo sind wir?«, verlangte Hunt zum zehnten Mal zu wissen.
    Ich hatte ihm das mit der alternativen Alten Erde schon erklärt, wusste aber, dass er jetzt etwas anderes meinte.
    »Quarantäne, glaube ich«, sagte ich.
    »Der Core hat uns hierhergebracht?«, herrschte er mich an.
    »Ich kann es nur vermuten.«
    »Wie kommen wir zurück?«
    »Ich weiß es nicht. Ich denke, wenn sie sicher sind, dass sie uns aus der Quarantäne entlassen können, wird ein Farcasterportal auftauchen.«
    Hunt fluchte leise. »Warum bin ich unter Quarantäne, Severn?«
    Ich zuckte mit den Achseln. Ich vermutete, weil er gehört hatte, was ich auf Pacem sagte, war mir aber nicht sicher. Ich war mir in überhaupt nichts mehr sicher.
    Die Straße führte durch Wiesen, Weinberge, über flache Hügel
und durch Täler, wo man Blicke auf das Meer erhaschen konnte.
    »Wohin führt diese Straße?«, wollte Hunt wissen, bevor wir das Gasthaus erreichten.
    »Alle Wege führen nach Rom.«
    »Es ist mein Ernst, Severn.«
    »Meiner auch, M. Hunt.«
    Hunt hob einen Stein vom Boden auf und warf ihn weit ins Gebüsch. Irgendwo schrie eine Drossel. »Waren Sie schon einmal hier?« Hunts Stimme klang vorwurfsvoll, als hätte ich ihn hergeschleppt. Was vielleicht zutraf.
    »Nein«, sagte ich. Aber Keats, hätte ich fast hinzugefügt. Meine Transplantaterinnerungen drangen zur Oberfläche und überwältigten mich fast mit ihrem Eindruck von Verlust und bevorstehendem Tod. So weit entfernt von seinen Freunden, so weit entfernt von Fanny, seiner einzigen ewigen Liebe …
    »Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht in die Datensphäre einklinken können?«, sagte Hunt.
    »Ganz sicher«, erwiderte ich. Er fragte nicht nach der Megasphäre, und ich sagte ihm nichts davon. Ich habe Todesangst davor, in die Megasphäre einzudringen, mich dort zu verirren.
    Wir fanden das Gasthaus kurz vor Sonnenuntergang. Es lag in einem kurzen Tal, Rauch stieg aus einem Kamin auf.
    Beim Essen schien die Dunkelheit gegen die Scheiben zu drängen, unser einziges Licht kam vom Herdfeuer und zwei Kerzen auf dem Steinsims, und Hunt sagte: »Hier könnte ich fast an Gespenster glauben.«
    »Ich glaube an Gespenster«, sagte ich.
     
    Nacht. Ich erwache hustend, spüre Nässe auf der nackten Brust, höre Hunt mit den Kerzen hantieren und sehe in ihren Licht Blut auf meiner Haut und dem Bettlaken.

    »Mein Gott«, haucht Hunt entsetzt. »Was ist das? Was geht hier vor?«
    »Blutsturz«, bringe ich heraus, nachdem der nächste Hustenanfall mich noch mehr geschwächt und mehr Blut zutage gefördert hat. Ich will aufstehen, sinke aufs Kissen zurück und deute zu Wasserschüssel und Handtuch auf der Kommode.
    »Verdammt, verdammt«, murmelt Hunt und sucht nach meinem Komlog, um einen Med-Abruf zu machen. Er findet kein Komlog. Ich habe Hoyts nutzloses Instrument im Laufe des Fußmarschs weggeworfen.
    Hunt nimmt das eigene Komlog ab, justiert den Monitor und legt es um mein Handgelenk. Die Anzeigen sagen ihm nichts, davon abgesehen, dass dringende medizinische Hilfe erforderlich ist. Wie die meisten Menschen seiner Generation, hat Hunt noch nie Krankheit oder Tod gesehen – das waren Angelegenheiten für Fachleute, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit geregelt wurden.
    »Unwichtig«, flüstere ich. Der Hustenanfall ist vorbei, aber Schwäche hat sich wie eine Decke aus Wackersteinen über mich gelegt. Ich deute wieder auf das Handtuch. Hunt macht es nass, wischt das Blut von meinen Armen und der Brust und hilft mir, auf dem einzigen Stuhl Platz zu nehmen, während er die blutigen Decken und Laken entfernt.
    »Wissen Sie, was los ist?«, fragt er mit aufrichtig besorgter Stimme.
    »Ja.« Ich versuche zu lächeln. »Genauigkeit. Versiertheit. Ontogenie rekapituliert Phylogenie.«
    »Sprechen Sie vernünftig!«, fordert Hunt brüsk und hilft mir zum Bett zurück. »Was hat den Blutsturz verursacht?

Weitere Kostenlose Bücher