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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Ihnen gar nichts zu erzählen, Priester einer toten Religion.«
    Sek Hardeen saß lange schweigend da, bevor er antwortete. »M. Masteen hat sich freiwillig gemeldet, das Wort Muirs nach Hyperion zu tragen. Eine Prophezeiung gehört schon seit Jahrhunderten zu den Wurzeln unseres Glaubens – dass nämlich in Zeiten der Not eine Wahre Stimme des Baums auserwählt würde, ein Baumschiff zur Heiligen Welt zu bringen, welches dortselbst zerstört wird, um wiedergeboren zu werden und die Botschaft der Buße und des Muir hinauszutragen.«
    »Also hat Het Masteen gewusst, dass sein Baumschiff im Orbit zerstört werden würde?«
    »Ja. Das war vorhergesagt.«
    »Und er und der energiebindende Erg sollten ein neues Baumschiff fliegen?«
    »Ja«, sagte der Tempelritter fast unhörbar. »Einen Baum der Buße, den das Avatar bringen würde.«
    Duré lehnte sich zurück und nickte. »Ein Baum der Buße. Der Dornenbaum. Het Masteen wurde psychisch verletzt, als die Yggdrasil vernichtet wurde. Dann wurde er zum Tal der Zeitgräber gebracht, wo man ihm den Dornenbaum des Shrike zeigte. Aber er war nicht bereit oder willens, es zu tun. Der Baum der Dornen ist ein Gebilde des Todes, der Qualen, des Leids … Het Masteen war nicht bereit, ihn zu steuern. Vielleicht weigerte er sich auch. Wie dem auch sei, er ist geflohen. Und gestorben … Aber ich hatte keine Ahnung, welches Schicksal das Shrike ihm zugedacht hatte.«

    »Wovon sprechen Sie?«, fragte der Bischof schroff. »Der Baum der Buße wird in den Prophezeiungen beschrieben. Er wird das Avatar bei seiner letzten Ernte begleiten. Masteen wäre bereit und geehrt gewesen, ihn durch Raum und Zeit zu steuern.«
    Paul Duré schüttelte den Kopf.
    »Haben wir Ihre Fragen beantwortet?«, fragte M. Hardeen.
    »Ja.«
    »Dann müssen Sie unsere beantworten«, sagte der Bischof. »Was ist mit der Mutter geschehen?«
    »Welcher Mutter?«
    »Der Mutter Unserer Erlösung. Der Braut der Buße. Die Sie Brawne Lamia nennen.«
    Duré konzentrierte sich und versuchte sich an die Zusammenfassungen zu erinnern, die der Konsul von den Geschichten der Pilger gemacht hatte, die diese auf dem Weg nach Hyperion erzählt hatten. Brawne war von dem ersten Keats-Cybrid schwanger gewesen. Der Tempel des Shrike auf Lusus hatte sie vor dem Mob gerettet und auf die Pilgerfahrt geschickt. Sie hatte in ihrer Geschichte erwähnt, dass die Anhänger des Shrike sie mit Ehrerbietung behandelt hatten. Duré versuchte das in das wirre Mosaik dessen einzufügen, was er bereits gelernt hatte. Er konnte es nicht. Er war zu müde – und, dachte er, nach dieser sogenannten Wiederauferstehung auch zu dumm. Er war nicht der Intellektuelle, der Paul Duré einst gewesen war, und würde es nie wieder sein. »Brawne war bewusstlos«, sagte er. »Offenbar hatte das Shrike sie geholt und mit einem … Ding verbunden. Einem Kabel. Ihr Geisteszustand entsprach dem einer Gehirntoten, aber der Fötus lebte und war gesund.«
    »Und die Persönlichkeit, die sie in sich trug?«, fragte der Bischof mit gepresster Stimme.
    Duré fiel ein, was Severn ihm über den Tod dieser Persönlichkeit in der Megasphäre gesagt hatte. Offenbar wussten diese
beiden hier nichts von der zweiten Keats-Persönlichkeit – der Severn-Persönlichkeit, die in diesem Augenblick Gladstone vor der Gefahr warnte, die der Vorschlag des Core bedeutete. Duré schüttelte den Kopf. Er war sehr müde. »Ich weiß nichts von der Persönlichkeit, die sie in der Schrön-Schleife getragen hat«, sagte er. »Das Kabel – das Ding, das das Shrike an ihr befestigt hat – schien sich in die Neuralsteckdose einzupassen wie ein Kortikalstecker.«
    Der Bischof schien zufriedengestellt. »Die Prophezeiungen erfüllen sich folgerichtig. Sie haben Ihren Zweck als Bote erfüllt, Duré. Ich muss nun gehen.« Er stand auf, nickte der Wahren Stimme des Weltbaums zu und rauschte über die Plattform und die Treppe hinab zum Fahrstuhl und Terminex.
    Duré saß dem Tempelritter mehrere Minuten lang schweigend gegenüber. Das Rauschen der Blätter und das sanfte Schwanken der Plattform waren einlullend und schienen den Jesuiten geradezu zum Dösen aufzufordern. Über ihnen dunkelte der Himmel zu verschiedenen Safrantönen, während God’s Grove in Dämmerung versank.
    »Ihre Bemerkung über einen deus ex machina , der uns seit Generationen mit falschen Prophezeiungen in die Irre führt, war eine schreckliche Häresie«, sagte der Tempelritter schließlich.
    »Ja, aber in der

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