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Die im Dunkeln

Die im Dunkeln

Titel: Die im Dunkeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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oder auf jemandes Ächzen oder Schreien. Er rechnete mit dem zweiten Schuß, hoffte aber verzweifelt auf das Geräusch der hochgejagten Maschine des Lincoln und das Kreischen der Hinterreifen, die sich beim Fluchtstart am Pflaster reiben würden.
    Aber er hörte nichts; und nach einem Moment setzte er sich auf und sah zur anderen Straßenseite. Die Limousine war fort. Dann schaute er nach Jessica Carver; sie kauerte zwei Meter entfernt fast in der Karikatur der Startstellung eines Sprinters. Ihr Mund stand offen, die Augen waren aufgerissen, und das Gesicht war Partain zugewandt. Aber sie starrte auf etwas hinter ihm.
    Partain drehte sich um und fand Jack, den Türhüter, der mit dem Gesicht nach oben neben der äußeren Telefonzelle lag, in der vertrauten Todeshaltung einer achtlos weggeworfenen Gliederpuppe. Jacks Mund und Augen standen offen. Partain entschied, es sei entweder ein Kopfschuß gewesen, fachmännisch gezielt, oder ein Querschläger. Dann kam die Erleichterung; sie durchflutete ihn und ertränkte das kurze Gefühl von Schuld, das ihn immer überkam, wenn er der Überlebende und ein anderer gestorben war.
     
    Die schwarze Limousine bog vom Wilshire rechts ab und nahm schließlich den Santa Monica Boulevard, um zum Freeway 405 nach Süden zu gelangen. Erst als die Limousine auf der dritten Spur mit gesetzten 59 Meilen pro Stunde nach Süden rollte, redete der Latino-Fahrer seinen rückwärtigen Passagier an.
    »Du hast nicht getroffen«, sagte er; dank seines Akzents klang es wie: »Du as niss getroffen.«
    »Ah ja?« sagte Emory Kite vom Rücksitz.

20. Kapitel
    Sie standen vor Jack Thomson, dem toten Türhüter, bis der erste schwarzweiße Wagen kam. Sie standen nebeneinander; Partain in einer leicht bedrohlichen »Rührt-euch«-Haltung, Jessica Carver mit vor der Brust verschränkten Armen.
    Eine kleine Menschenmenge war zusammengekommen und wollte wissen, ob der Typ tot sei und ob sie ihn umgenietet hätten und ob jemand die Polizei gerufen habe. Partain beantwortete nur die letzte Frage.
    Nach Ankunft des Polizeiwagens beendeten Partain und Carver ihren Postendienst, antworteten auf die Fragen eines uniformierten Sergeants und erklärten sich bereit, oben zu warten, bis die Mordabteilung mit ihnen redete, was, wie der Sergeant sie vorwarnte, so sicher wie Scheiße sei.
    Sie nahmen den Aufzug zum vierzehnten Stock, ohne zu sprechen, und betraten das Apartment. Carver ging stumm in ihr Zimmer und schloß die Tür ab. Partain zog sich in die Küche zurück und begann, zwei dicke Brathähnchen zu zerschneiden; sie steckten in einem Papiersack voller Lebensmittel, die General Winfield bei der Fahrt vom Flughafen her unbedingt hatte kaufen wollen. Eine Stunde später klopfte Partain an Carvers Tür und sagte: »Das Essen ist fertig.«
    »Ich will keins«, sagte sie; ihre Stimme klang durch die Tür gedämpft.
    »Brathähnchen. Kartoffelpüree. Dreierlei Salat. Maisbrot.« Nach einem Moment fragte sie: »Echtes Maisbrot?«
    »Improvisiert.«
    Fünf Sekunden später ging die Schlafzimmertür auf, und Jessica Carver, die Augen geschwollen und blutunterlaufen, gönnte ihm ein trauriges, müdes Lächeln und sagte: »Na denn, essen müssen wir ja wohl.«
    »Steht auf dem Tisch«, sagte Partain, als es an der Tür zum Korridor läutete.
    »Ich mach auf«, sagte er. »Fangen Sie schon mal an.«
    Partain öffnete die Tür und war nicht überrascht, daß dort der Detective Sergeant aus dem Modejournal stand, Ovid Knox. Ehe Knox etwas sagen konnte, sagte Partain: »Haben Sie schon gegessen?«
    Knox versuchte nicht, seine Überraschung zu verbergen. »Warum?«
    »Weil das Essen auf dem Tisch steht. Brathähnchen. Salat. Kartoffelpüree. Sahnesauce. Maisbrot. Sie sind eingeladen. Wir essen in der Küche.«
    »Wer ist wir?«
    »Jessica Carver, ich und jetzt Sie. Aber wenn Sie nicht essen wollen, können Sie auch zuschauen.«
    »Ich tauge nicht als Voyeur«, sagte Knox.
     
    Sie aßen alles außer Knochen und Schnäbeln. Und weil Jessica Carver und Ovid Knox noch immer hungrig schienen, fand Partain einige Sara-Lee-Nußkuchen im Kühlschrank und servierte sie mit dem Kaffee. Carver aß zwei der brownies , Knox drei, Partain keinen.
    Nach seinem dritten brownie und der letzten Tasse Kaffee schob Knox Tasse und Untertasse beiseite, stützte die Ellenbogen auf den Tisch, beugte sich ein wenig vor und sagte: »Wer hat ihn erschossen?«
    »Mindestens zwei Leute in einem langen schwarzen Lincoln«, sagte Partain. »Einer

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