Die im Dunkeln
einem Couchtisch, stand seine alte schwarze Reiseschreibmaschine, eine Smith-Corona, mit einem Blatt weißer Bankpost.
Shawnee Viar schleppte den Beutel mit Lebensmitteln durchs Wohnzimmer, den Eßbereich und in die Küche, wo sie alles verstaute, außer der Stange Pall Mall, die sie mitnahm, als sie durchs Wohnzimmer zurück in die Diele ging. Dort zog sie den blauen Mantel, an dem ein Elfenbeinknopf fehlte, aus und hängte ihn an den regierungsamtlichen Mantelständer. Sie ging zurück ins Wohnzimmer, immer noch mit der Stange Pall Mall in der Hand, und schaute nach ihrem Vater. Da erst sah sie die Waffe auf dem Boden, neben Henry Viars herunterhängender rechter Hand.
Sie ließ die Stange Zigaretten fallen und preßte beide Hände auf den Mund, aber das lange, leise Ächzen entfloh ihr trotzdem.
Nach vier tiefen Atemzügen näherte sie sich widerstrebend, bis sie an seinem Hals nach dem Puls tasten konnte, sicher, daß es keinen mehr gab. Sie ertappte sich bei der Frage, wann sie einander zuletzt berührt hatten, keine Umarmungen oder Küsse, sondern einfach die Berührung einer Hand. Sie beschloß, es müsse mindestens zehn Jahre her sein, vielleicht sogar fünfzehn.
Die Waffe war eine halbautomatische Pistole und sah für sie auswie die in der Schublade seines Nachttischs. Eine kleine Waffe, die ein Mann in der Gesäßtasche oder eine Frau in der Handtasche verstecken konnte. Sie kniete neben ihm und sah auf in sein Gesicht. Die Augen waren halb offen und starrten in seinen Schoß. Auch der Mund war halb geöffnet.
Sie sah, daß er sich nicht in den Kopf geschossen hatte; dann bemerkte sie das kleine schwarze Loch in seinem schwarzen Pullover. Es war fast in der Brustmitte, und sie schloß, daß er sich ins Herz geschossen haben mußte.
Noch immer kniend, drehte sie sich um und betrachtete das Blatt Bankpost in der Schreibmaschine. Nur eine einzige Zeile stand darauf. Sie las sie stumm, bewegte dazu die Lippen, stand dann auf, ging zum Telefon, suchte in einem roten Adreßbuch eine Nummer und wählte sie. Während es klingelte, schaute sie auf die Uhr und sah, daß es 16.52 Uhr war.
Beim zweiten Läuten meldete sich eine Männerstimme mit den vier letzten Ziffern, die sie gewählt hatte. Sie sagte: »Ich hätte gern General Winfield gesprochen. Hier ist Shawnee Viar.«
»General Winfield ist nicht in der Stadt, Ms. Viar. Ich bin Nick Patrokis. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
»Ist General Winfield irgendwo telefonisch erreichbar?«
»Nein, tut mir leid. Aber der General und ich arbeiten eng zusammen, und ich bin sicher, er würde Wert darauf legen, daß ich versuche, Ihnen zu helfen.«
»Kennen Sie meinen Vater?«
»Wir sind uns nie begegnet, aber ich weiß, wer er ist«, sagte Patrokis. »Und ich weiß, der General kennt ihn seit Jahren.«
»Er ist tot. Mein Vater, meine ich.«
»Das tut mir sehr leid«, sagte Patrokis. »Wann hat er ... wann ist es passiert?«
»Ich weiß nicht. Ich bin eben erst gekommen. Er lag irgendwie zusammengesackt in einem Sessel im Wohnzimmer. Ich dachte, er schläft. Nein, stimmt nicht. Ich dachte, er wäre umgekippt. Er hat viel getrunken. Zu viel.«
»Ich verstehe.«
»Er hat sich umgebracht.«
»Wie?«
»Mit einer Pistole. Einer kleinen. Er hat sich in die Brust geschossen, ins Herz wahrscheinlich, und die Pistole liegt neben ihm auf dem Boden.«
»Nicht auf seinem Schoß?«
»Nein. Sie ist nicht auf seinem Schoß. Sollte sie?« Sie wartete Patrokis’ Antwort nicht ab. »Er hat eine Notiz hinterlassen. Sie steckt noch in seiner Schreibmaschine.«
»Dann ist sie nicht unterschrieben, oder?«
»Nein, ist sie nicht.«
»Können Sie es von da, wo Sie sind, lesen?«
»Nein, aber ich weiß, was da steht. Nur eine Zeile. ›Schnauze voll? Probier’s mit Selbstmord. Wie ich.‹«
»Haben Sie die Polizei gerufen?« fragte Patrokis.
»Noch nicht. Sollte ich aber wohl, oder? Aber deshalb wollte ich General Winfield sprechen. Sonst ist mir niemand eingefallen, dem es was ausmacht, ob er tot ist oder nicht. Der General war vor ein paar Tagen hier. Sie haben sich lange unterhalten, und, also, ich dachte, vielleicht könnte mir der General sagen, was ich jetzt machen soll.«
»Sie wohnen in Georgetown, ja?«
»Ja«, sagte sie und gab ihm die Adresse am Volta Place.
»Ich bin in einer Viertelstunde da.«
»Ich will Ihnen wirklich keine Mühe machen ...«
»Das macht keine Mühe«, sagte Patrokis.
»Was ist mit der Polizei?« fragte sie.
Nach einer Pause von
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