Die im Dunkeln
versucht, mich umzubringen. Es sollte in die Schläfe gehen, wie bei Ihrer Mutter, aber jemand ist zur Tür reingekommen, hat gesehen, was ich machen wollte, und sein Zippo nach mir geschmissen.«
»Was ist passiert?«
»Ich hab trotzdem abgedrückt, hatte aber die Hand bewegt.« Er drehte sich um und berührte seine rechte Kopfseite, ein Stück über und hinter dem Ohr. »Die Kugel ist rein und wieder raus. Die haben mir eine Metallplatte eingesetzt.«
»Haben Sie’s je wieder versucht?« sagte sie.
»Ich hab ein Gegenmittel gefunden.«
»Was?«
»Ich hab bei mir eine überwältigende Neugier darauf entdeckt, wie es weitergeht.« Er musterte sie einige Momente. »Denken Sie je an Selbstmord?«
»Nur wenn ich wach bin.«
Er nickte; dann fragte er: »Also, was soll Ihr Vater denn jetzt sein – Mordopfer oder Selbstmörder?«
Sie schloß die Augen, schwankte ein wenig, öffnete sie; das Schwanken endete. »Hab ich wirklich eine Wahl?«
Patrokis nickte wieder.
»Was ist einfacher?«
»Für Sie? Selbstmord.«
»Aber Sie meinen, jemand hat ihn umgebracht, oder?«
»Ja. Und wenn ich das meine, dann auch die Cops. Ich kann aber die Pistole mit einem Bleistift aufheben und auf seinen Schoß legen oder zwischen seinen Knien auf den Teppich fallen lassen, dann werden die Cops das wahrscheinlich Selbstmord nennen. Seine Fingerabdrücke sind bestimmt überall drauf, und andere werden die nicht finden – außer, Sie haben dran rumgefummelt.«
»Ich hab sie nicht angefaßt«, sagte sie.
»Wenn die feststellen, daß er bei der CIA war«, sagte Patrokis, »werden sie einen Höflichkeitsbesuch in Langley machen, und da wird man erleichtert sein, daß Henry Viar von eigener Hand gestorben ist, ohne fremde Nachhilfe. Ein ermordeter CIA-Mann, auch ein ehemaliger, läßt die immer gleich Gespenster sehen, Skandale, alte Rechnungen, Verrat und namenlose fremde Mächte. CIA-Selbstmorde dagegen hält man in der Regel für bedauerlich, aber sauber, logisch und passend.«
»Warum ist er umgebracht worden?« sagte sie.
»Ich weiß es nicht, aber wenn ich hier jetzt nicht dran drehe, könnten sich die Cops fragen, wieso keine Schmauchspur auf seiner rechten Hand ist und wieso die Waffe genau da liegt. Dannwerden sie Ihnen einen Haufen Fragen stellen – wo Sie heute waren und wohin Sie gegangen sind und was Sie gemacht und wen Sie getroffen haben, während hier der arme alte Dad ermordet wurde. Wenn sie es für Selbstmord halten, fragen die das auch alles, hören aber bei Ihren Antworten nicht so genau hin.«
»Was werden die sonst noch wissen wollen, wenn sie es für Selbstmord halten?«
»Die werden fragen, ob er Geldsorgen hatte, Probleme mit der Gesundheit oder Enttäuschungen.«
»Das ist doch alles, was er hatte«, sagte sie.
Die nächste Frage kam so beiläufig, wie Patrokis sie nur klingen lassen konnte. »Glauben Sie, er hat sich umgebracht?«
»Nein.«
»Werden Sie das den Cops sagen?«
»Nein.«
»Dann ruf ich die jetzt wohl an«, sagte Patrokis und ging zum Telefon.
Der letzte Detective des Morddezernats der Metropolitan Police ging kurz nach 23 Uhr, und um 23.17 kam ein sehr subalterner CIA-Mann vorbei, um für die Agency zu kondolieren. Shawnee Viar hörte ihn in der Diele an, dankte ihm und schickte ihn wieder in die Nacht.
»Früher haben die die paarweise losgeschickt«, sagte Patrokis, als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte, wo die einzige Spur ihres toten Vaters ein halbleeres Päckchen Pall Mall war. »Kondolenzteams. Einen Alten und einen Jungen. Ich glaube, so viele Alte haben die jetzt nicht mehr.«
»Haben Sie je für die gearbeitet?« sagte sie.
»Eigentlich nicht.«
»Entweder haben Sie, oder Sie haben nicht.«
»Ich hab hin und wieder was für sie erledigt. In Vietnam.«
»Was ist mit Mittelamerika?«
»Da war ich schon raus.«
»Raus aus was?«
»Sonderaufträge.«
Sie drehte sich um und ging zu einem kleinen Sekretär. »Ich zeig Ihnen wohl besser was«, sagte sie, klappte den Deckel herunter und begann, Schubladen zu öffnen.
Patrokis wartete; dann sagte er: »Was wollen Sie mir zeigen?«
»Ein Bild von Dad und drei Typen in Mittelamerika. In El Salvador.« Sie durchsuchte die letzte Schublade, schloß sie, wandte sich um und sagte: »Gestern war es noch hier; am Abend davor hatte er es mir gezeigt. Jetzt ist es weg.«
»Wer war das – die drei Leute?«
Sie starrte ihn an, kaute auf der Unterlippe. »Einen davon kann ich Ihnen zeigen.«
»Wie?«
Statt zu antworten,
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