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Die im Dunkeln

Die im Dunkeln

Titel: Die im Dunkeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Manteltasche, hob den Handkoffer auf und betrat Emory Kites vorderes Wohnzimmer.
    Er zog Hut, Mantel und den zweiten Handschuh aus und legte alles auf ein, wie er fand, bemerkenswert häßliches kleines Sofa der Sorte Liebessitz. Nach einem Rundblick durch den übrigen viktorianischen Raum verzog der General das Gesicht und setzte sich auf das rote Samtsofa, den schwarzen Handkoffer auf den Knien.
    Winfield stand nicht auf, als er jemanden die Treppe herunterpoltern hörte. Emory Kite kam ins Zimmer; er trug eine Hose, ein Hemd und Slipper mit Lederabsätzen. Als er den General sah, zuckte er zusammen, erholte sich rasch und fragte: »Ist Connie weg?«
    »Sie sagte, sie könne nicht warten.«
    »Aha«, sagte Kite mit einer mißtrauischen Grimasse, die er schnell durch ein Grinsen tilgte. »Wetten, die hat Ihnen ihre Karte gegeben?«
    Der General lächelte knapp und nickte.
    »Ich will mich nicht vordrängeln, General, aber wenn Sie je in Stimmung für was Schräges sind, da gibt’s nix Besseres als Connie. Fünfhundert für ne Nacht, und das ist sogar billig. Außerdem nettes Mädel. War auf dem College, hat nen guten Job im Innenministerium, nix mit Drogen und reist gern.«
    »Interessant«, sagte der General.
    »N Kaffee? Ich hab ihr gesagt, sie soll n Pott machen.«
    »Ja, danke, Kaffee hätte ich gern, Mr. Kite.«
    »Bin sofort wieder da.«
    Nach weniger als zwei Minuten kam Kite zurück aus der Küche, mit zwei Bechern Kaffee. Einen reichte er dem General, hielt dann seinen zwischen beiden Händen, als er sich in einen großen Lehnsessel setzte, der so niedrig war, daß Kites Füße den Boden berührten. Kite schlürfte lautstark seinen Kaffee und spähte über den Becherrand. »Das ist kein Freundschaftsbesuch, oder?«
    »Nein, Mr. Kite, ist es nicht. Ich benötige schon wieder Ihre Dienste.«
    Kites linke Hand zupfte so hart an seinem Ohrläppchen, daß sich davon die Mundwinkel hinabzubiegen schienen. »Was liegt an?«
    »Ich möchte, daß Sie zurückbringen, was Sie einmal entfernt haben – oder haben entfernen lassen.«
    Kite zupfte wieder am linken Ohrläppchen; diesmal weiteten sich seine Augen in echter oder gespielter Überraschung. »Sie meinen in L.A.?«
    »In Los Angeles, ja.«
    »Und ich soll das genau dahin tun, wo es mal war?«
    »Das ist nicht nötig. Sobald Sie drin sind, können Sie es eigentlich überall lassen.«
    »Ich geh nicht rein, wenn jemand da ist.«
    »Ich versichere Ihnen, es wird niemand dort sein.«
    »Und mein Anteil?«
    »Der gleiche wie damals. Und wie damals übernehmen Sie Ihre Spesen selbst.«
    »Warum?« sagte Kite mit einem Stirnrunzeln, das nach Winfields Ansicht ehrliche Verblüffung ausdrückte. »Ich mein, damals haben Sie’s gebraucht, aber jetzt nicht. Wie kommt’s?«
    »Damals habe ich es verzweifelt gebraucht«, sagte Winfield. »Das ist nicht mehr der Fall. Ich betrachte es jetzt als ein Darlehen, das anonym zurückgezahlt werden muß. Aber diesmal darf niemand verletzt und vor allem niemand getötet werden.«
    Kite wies mit seinem scharfen Kinn auf den schwarzen Handkoffer, der noch immer auf den Knien des Generals lag. »Da drin?« fragte Kite.
    Der General nickte.
    Kite stellte den Becher weg und stand auf. »Dann sollten wir’s vielleicht zählen.«
    »Ja, das sollten wir wohl.«
    Der General erhob sich, hielt den Koffer am Griff und sah sich im Raum um. Er bemerkte einen Tisch mit Marmorplatte an der anderen Wand. Die Farbe des Marmors war sahnegestriemtes Mauve, und alle sechs prachtvoll beschnitzten Mahagonibeine des Tischs endeten im unvermeidlichen Ball mit Krallen.
    »Ist der Tisch recht?« fragte der General.
    Kite schaute hin. »Klar. Ich schieb bloß mal die Lampe ein bißchen weg.«
    Er ging zum Tisch und schob eine Messinglampe mit Schirm nach links hinten. Der General kam zu ihm und stellte den Handkoffer auf den Marmor. »Nicht abgeschlossen«, sagte er.
    »Lauter Hunderter?«
    »Natürlich.«
    »Eins Komma zwei Millionen?«
    »Genau, Mr. Kite.«
    Kite nickte, ließ die Verschlüsse aufspringen und hob den Deckel; darunter lagen saubere, dichtgepackte Reihen von 100- $-Noten mit Banderolen. Kite starrte das Geld mit Zuneigung, vielleicht sogar Liebe an, und er starrte immer noch, als General Winfield sich räusperte und sagte: »Emory.«
    »Ja?«
    »Schließen Sie den Deckel.«
    Kite gefror, taute schnell genug auf, um »Warum?« zu sagen, wartete allerdings nicht auf eine Antwort. Statt dessen warf er den Deckel zu, wirbelte herum und

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