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Die im Dunkeln

Die im Dunkeln

Titel: Die im Dunkeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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versuchen, sie zurückzukaufen. Oder ist es schon zu spät? Ich werde mit Colonel H. darüber reden. Und natürlich mit Captain M.‹ Später: ›Ich habe mit ihnen gesprochen, und es ist leider viel zu spät.‹«
    Shawnee Viar hörte auf zu reden, ließ den Blick auf Partains Gesicht sinken, sah, was in ihm vorging, sagte: »Jesus!« und zuckte zurück. Auch die anderen starrten Partain an; seine Augen glitzerten, seine Lippen waren zu einer fletschenden Grimasse verzerrt. Seine Gesichtsfarbe war wieder zu einem dunklen, gefährlich aussehenden Rot geworden. Dann schloß er die Augen, konzentrierte sich darauf, alles normal werden zu lassen. Das Fletschen endete, und das dunkelrote Gesicht wurde schnell hellrosa, dann langsam normal.
    Partain öffnete die Augen und sagte sehr leise: »Dieses eine Tagebuchwürde ich gern lesen, Shawnee.«
    Sie schüttelte – einmal, langsam – den Kopf. »Es ist weg. Die sind alle weg. Am Tag, als Hank umgebracht wurde, hab ich sie gesucht. Sie waren hinter einer Wandleiste hinter seiner Couch. Auch das Foto ist weg.« Sie schaute Patrokis an, als ob sie eine Bestätigung haben wollte. »Wissen Sie noch, wie ich raufgegangen bin, um zu pinkeln?«
    Er nickte, beobachtete weiterhin Partain.
    »Dabei hab ich nachgesehen«, sagte sie. »Vielleicht haben sie ihn deshalb umgebracht. Wegen der Tagebücher. Tut mir sehr leid, Major.«
    »Ich bin kein Major.«
    »Tut mir trotzdem leid«, sagte sie und wandte sich an Patrokis. »Ich mag heut abend nicht zur Volta Place zurück.«
    »Kommen Sie mit zu mir«, sagte er.
    »Zu VOMIT?«
    »Da wohne ich nicht. Ich hab ein Apartment an der 19th.« Er machte eine Pause. »Sie können die Couch oder das Bett nehmen.«
    Shawnees Blick wanderte um den Tisch und verhielt bei Jessica Carver. »Was meinen Sie?«
    »Ich glaube, Sie sind im Moment ein bißchen durcheinander, und wenn Sie Nicks Angebot nicht annehmen, weiß ich, daß Sie durcheinander sind.«
    »Was, wenn er ficken will?«
    Carver hob die Schultern. »Betrachten Sie es als Therapie.«
    Shawnee Viar wandte sich an Patrokis und sagte: »Dann los.« Beide standen auf. Partain blieb sitzen, schaute zu Shawnee Viar auf und fragte: »War das wirklich das, was im Tagebuch stand?«
    »Nicht Wort für Wort«, sagte sie. »Aber nah dran. Sehr nah.«
    Nachdemsie gegangen waren, saßen Partain und Jessica Carver ihr unendlich scheinende drei Minuten stumm da, bis sie das Schweigen mit einer Frage beendete: »Willst du die ganze Nacht dasitzen und brüten?«
    Er schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Ich besorg dir ein Taxi.«
    »Was ist mit dir?«
    »Ich geh zu Fuß.«
    »Zu Fuß?«
    Er ignorierte die Frage. »Sag deiner Mutter, ich muß sie sprechen. Heut abend. Spät. Nach elf.«
    »Soll ich General Winfield und seine gesperrte Karte erwähnen?«
    »Noch nicht.«
    Sie beugte sich vor, um ihn sorgfältig, sogar kritisch zu mustern, wie auf der Suche nach Rissen im Charakter oder nach abbröckelnder Festigkeit. »Ich will nicht, daß Millie was passiert«, sagte sie. »Ein bißchen sanfte Aufregung und Abenteuer, okay. Aber nichts Schlimmes.«
    Er nickte.
    »Was dich angeht, das war ein lausiger Schock für dich. Wie lausig, kann ich mir überhaupt nicht ausmalen. Wenn du mit Millie geredet hast, leiste ich dir die ganze Nacht Gesellschaft. Betrink mich mit dir. Hör dir zu.« Sie machte eine Pause. »Kommen Sie, wie Sie sind. Jederzeit. Reservierung ist nicht nötig.«
    Er wollte sie anlächeln und fühlte seine Lippen sich zu etwas dehnen, von dem er hoffte, daß es ein Lächeln war. Dann versuchte er, die Augenwinkel zu kräuseln, wußte aber überhaupt nicht, welche Muskeln er dazu nehmen sollte.
    »Tut’s weh?« fragte sie.
    »Was?«
    »Du siehst aus, als ob du Schmerzen hättest.«
    »Hab ich«, sagte er, stand auf und kam um den Tisch. »Komm, wir besorgen dir ein Taxi.«
     
    Partain ging die Ostseite der 14th Street nach Süden bis L, dann nach Westen bis zur Connecticut Avenue und zum Mayflower-Hotel. Er wurde nicht von Huren angemacht. Nicht von Bettlern behelligt. Nicht von Räubern bedroht. Ein Polizeiwagen bremste neben ihm, Ecke 14th und T. Der Cop auf seiner Seite bedachte ihn mit einem langen forschenden Blick und erhielt zur Antwort ein wüstes Lächeln. Der Wagen rollte weiter.
    Während er ging, fragte er sich, warum er nicht längst auf den Gedanken gekommen war, daß man das politische Desinteresse seiner toten Frau für eine Maske gehalten hatte. Eine salvadoranische

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