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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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Tränen ausbrach und Besprechungen abbrechen mußte. Er war oft abwesend und in Gedanken, er arbeitete langsam und ungenau. Im April tauchte in der Saarbrücker Niederlassung von Smith & Wyndham ein Partner aus der Zentrale in Frankfurt auf, der nach Saarbrücken versetzt worden war. Michael wußte nichts von einer solchen Versetzung. Es dauerte nicht lange, bis klar war, daß dieser Mann sein Nachfolger war. Er wurde schließlich vollkommen unzeremoniell im Juni 1993 abgelöst. Es gab keine Verabschiedung, es wurden keine Reden gehalten und keine Mandate übergeben. Die Geschäftsleitung legte ihm in einem kühlen, sachlichen Schreiben nahe, von sich aus zu kündigen oder einem Aufhebungsvertrag zuzustimmen. Dafür würde man ihm eine Abfindung in Höhe von zwölf Monatsgehältern zahlen, der Dienstwagen sei allerdings sofort an seinen Nachfolger zu übergeben.
    Ich war entsetzt. „Das wirst du dir doch nicht bieten lassen, die können dich doch nicht einfach so rausschmeißen. Wir gehen vor Gericht, du gewinnst doch jeden Prozeß gegen die.“
    Er sah mich lange mit dem müden, leeren Blick an, den ich nun bereits an ihm kannte.
    „Ich würde wahrscheinlich vor dem Arbeitsgericht gewinnen, aber was bringt mir das? Ich kann den Job sowieso nicht mehr machen.“
    „Aber du hast doch Saarbücken aufgebaut, du hast doch die ganzen neuen Mandanten akquiriert, der Umsatz hat sich doch verzehnfacht, du …“
    „Ingrid, ich kann nicht mehr, verstehst du, und wenn du mich totschlägst. Ich kann diesen Job nicht mehr machen.“
    „Und finanziell? Wie sollen wir denn das Haus abzahlen, ohne dein Gehalt?“
    „Ich weiß es nicht.“
    Früher hätten wir uns in einer solchen Situation stundenlang gestritten. Mit einer wahren Wonne hätten wir uns alte, abgenutzte Argumente, Beleidigungen und Drohungen gegenseitig so lange an die Köpfe geworfen, bis einer wutentbrannt das Zimmer verlassen hätte. Das war nun alles vorbei. Wir waren beide zu müde und zu kaputt, um auch nur zehn Minuten miteinander zu diskutieren. Ich akzeptierte seine Antwort, mir blieb sowieso nichts anderes übrig. Er wußte nicht, wie es weitergehen sollte, und ich wußte es auch nicht. Und das war dann auch das Ende von Michaels Karriere. Denn das, was er in den folgenden Jahren beruflich aus sich gemacht hat, kann man beim besten Willen keine Karriere mehr nennen. An einem Junitag holte er aus dem Büro seine Sachen ab, verabschiedete sich und noch vor Mittag war er wieder zu Hause. Als ich nach Hause kam, saß er in seinem Ledersessel am Schreibtisch und starrte zum Fenster hinaus.

Kapitel 13          
    Weigandt zieht langsam die Pistole aus dem Holster und drückt dabei den Zündstift nach innen. Die Waffe ist entsichert. Er wirft einen Schlüssel auf den Fliesenboden und deutet mit dem Lichtkegel der Taschenlampe auf die Tür zum Versorgungsraum.
    „Sperr die Tür auf.“
    Nicolai öffnet die Tür und geht im Schein der Taschenlampe in den leeren Raum. Weigandt zeigt auf den Sicherungskasten.
    „Leg den Schalter der Hauptsicherung um.“
    Plötzlich ist es wieder hell im ganzen Haus. Aus dem Fernseher im Wohnzimmer kommt Volksmusik.
    „Dreh dich um und geh’ in den Heizungsraum hinein.“
    Nicolai steht da und rührt sich nicht. Weigandt hält ihn mit der Pistole in Schach, während er mit der linken Hand die Stahltür zum Heizungsraum aufmacht.
    „Los, rein da.“
    Nicolai protestiert laut und läßt sich auf die Fliesen fallen. Weigandt zieht den Lauf der Glock eine Handbreit über Nicolais Scheitel, tritt einen Schritt zurück, dann streckt er den Arm aus, zielt und drückt den Abzug. Der Knall ist ohrenbetäubend. Der Querschläger heult durch das Treppenhaus und schlägt in Kopfhöhe in den Putz ein. Die Hülse scheppert auf die Fliesen.
    „Es sind noch sechzehn Patronen im Magazin. Der nächste Schuß geht nicht daneben.“
    Der Mann auf dem Boden steht langsam auf und geht dann in den dunklen Heizungsraum. Weigandt zieht nach ihm die Tür ins Schloß. Die Neonröhre an der Decke beginnt zu summen und beleuchtet einen großen, unverputzten Raum, in dem es nicht viel gibt bis auf einen Gasbrenner, einen Warmwasserkessel, Pumpen, Armaturen und blanke Kupferrohre, die vor Hitze glühen. Die Temperatur in dem Raum beträgt fast dreißig Grad. Beide Männer schwitzen bereits nach Minuten. Auf dem blanken Estrich stehen Klappstühle und ein altes Sofa rund um einen Campingtisch. Weigandt setzt sich auf einen der Stühle. Er zeigt

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