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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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mit der Pistole auf Nicolai.
    „Auf den Boden, mit dem Rücken gegen den Heizkessel.“
    Weigandt legt Nicolai die Handschellen an und setzt sich auf das Sofa. Er sieht auf die Uhr. Es ist kurz vor zwei Uhr morgens. Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit.
    „Du hast was gegessen und getrunken, du hast geduscht, du hast dir schicke Klamotten angezogen. Auf dem Klo warst du auch, und du hast dir sogar einen abgewichst. Du müßtest also jetzt so richtig in der Stimmung sein, mir was zu erzählen.“
    Nicolai rutscht zurück, bis er mit dem Rücken am Gasbrenner lehnt. Er sieht sein Gegenüber fast eine Minute lang an, ohne ein Wort zu sagen. In seine grauen Augen senken sich Resignation, Gleichgültigkeit und Entschlossenheit zur selben Zeit.
    „Wann hast du Florian zum ersten Mal gesehen? An dem Tag, an dem du ihn mitgenommen hast?“
    „Schon früher.“
    „Wann früher?“
    „Ich habe einmal ein Buffet zu Ihnen gebracht, Sie haben irgendwas gefeiert, an einem Nachmittag, es war im Sommer.“
    „Zu uns ins Haus? Du bist bei uns im Haus gewesen?“
    Weigandt zeigt mit dem Daumen auf seine Brust, als er zu uns ins Haus sagt.
    „Ja, ich und der Chef. Wir haben kalte Platten gebracht, die Rechauds aufgestellt und das Büfett aufgebaut.“
    „Und da hast du Florian gesehen?“
    „Er hat uns zugeschaut.“
    „Und deshalb bist du später auf ihn verfallen?“
    „Nein, nicht deswegen. Er hat mir gefallen, er hatte rotblonde Haare, ich mag rote Haare, und Sommersprossen, ich fand ihn hübsch, aber mehr war nicht. Ich dachte damals doch nicht, daß ich den je wiedersehen würde.“
    „Und wann hast du ihn wieder gesehen?“
    „Das war Monate später.“
    „War das Zufall oder Absicht?“
    „Zufall. Auf dem Weg zur Arbeit sah ich manchmal einen Jungen, der mir auf diesem blauen Dreirad entgegenkam. Er ist so komisch gefahren, sein Kopf ging immer so komisch auf und ab, er war behindert, das habe ich aus dem Auto gesehen. An seinem rechten Fuß trug er eine Beinschiene, und da habe ich mich wieder daran erinnert, wo er wohnte, und daß ich ja schon einmal bei Ihnen zu Hause gewesen bin.“
    „Hat dich Florians Behinderung sexuell erregt?“
    „Nein, er gefiel mir ganz einfach. Als ich ihn damals zur Schule fahren sah, da wußte ich nicht, daß ich mich eines Tages seiner bemächtigen würde.“
    „Und wann genau wußtest du, daß du dich seiner bemächtigen würdest ?“
    „Man kann das so nicht sagen, es war ja nicht geplant. Über den Sommer hinweg hatte sich Frustration in mir aufgebaut. Ich wurde unzufrieden, unruhig, ich fühlte mich krank und allein.“
    Nicolais Gesicht wird zusehends röter. Seine hellen Haare sind feucht vom Schweiß. Um den Haaransatz läuft ein glitzerndes Band von Schweißperlen.
    „Warum Frustration?“
    „Wegen dem Scheißjob. Ich war doch nur Küchenhelfer. Wir hatten so viel Arbeit, die Bezahlung war schlecht, und ich mußte immer dann arbeiten, wenn die anderen freihatten. Ich war immer für alle der Trottel. Und dann ging damals ja auch meine Beziehung in die Brüche.“
    „Mit dieser Event-Managerin. Woher kanntest du die eigentlich?“
    „Ich durfte manchmal mit zu Kunden fahren, wenn zu wenige Leute da waren. Monja war bei einer Computerfirma für die Organisation der Veranstaltungen zuständig. Sie war neu in dem Job und bestellte zum ersten Mal was bei uns.
    „Und da du hast ihr erzählt, du wärest fürs gesamte Catering verantwortlich, also der Chef des Ladens.“
    Nicolai zieht seine Knie an sich heran. Er lacht kurz.
    „Was hätte ich ihr denn sagen sollen? Daß ich ein Küchenhelfer bin aus dem Osten, der ab und zu mal Buffets ausfahren darf, wenn sonst keiner da ist? Daß ich für sechzig Stunden in der Woche tausend Mark im Monat kriege? Daß ich dreimal am Tag einen Anschiß bekomme, weil ich wieder was nicht kapiert habe und mir der Chef dann sagt, daß im Westen ein anderer Wind weht?“
    „Wie lange hast du sie in dem Glauben gelassen, daß sie mit dem Chef im Bett liegt?“
    „Bis sie es selbst herausgefunden hat.“
    „Und dann war Schluß?“
    Der andere nickt.
    „Und weil eine Frau mit dir Schluß gemacht hat, mußtest du Florian umbringen?“
    „Nein, nein, da war so viel in mir zu dieser Zeit, Frustration, Haß, Verzweiflung. Und all das wurde noch verstärkt durch meine Einsamkeit. Ich kannte niemanden in Saarbrücken außer Monja. Monja gehörte zu einer Clique, und für einige Monate war ich da auch dabei. Die hatten alle Geld, trugen tolle

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