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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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Stiefvater von zwei Männern vom Werkssicherheitsdienst dermaßen verprügeln, daß er mit sechs gebrochenen Rippen einen Tag lang im Straßengraben lag.
    Drei Monate danach zerrte er eine Frau am hellichten Tag vom Rad in ein Gestrüpp und vergewaltigte sie mehrmals mit solcher Brutalität, daß sie einen Beckenbruch und innere Verletzungen davontrug. Anschließend flüchtete er mit ihrem Fahrrad in den nächsten Ort und betrank sich mit Freunden. „Warum haben Sie die Frau vergewaltigt?“ fragte der Vorsitzende.
    „Aus Haß.“
    „Und das alles am hellichten Tag. Hatten Sie keine Angst, erkannt zu werden?“
    Nicolai schüttelte den Kopf. „Daran dachte ich überhaupt nicht. In mir war nur Haß.“
    1988 wurde er zu zwei Jahren Haft verurteilt, aber nach eineinhalb Jahren schon wieder entlassen. Im Januar 1990 wurde er wieder festgenommen, weil er an einem Wochenende ein Auto gestohlen und zwei Frauen vergewaltigt hatte. Im Juni 1990 wurde er zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und in die Psychiatrie eingewiesen.
    Und dann kam die Wende – die DDR hörte auf zu existieren. Für niemanden kam diese Entwicklung zu einer besseren Zeit als für Falko Nicolai. 1991 stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß die Einweisungen in die Psychiatrie in der ehemaligen DDR mit den Gesetzen der Bundesrepublik nicht vereinbar seien. Nicolai wurde entlassen. Er konnte sein Glück kaum fassen. So schnell es ging, machte er sich in den Westen auf. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle wegen weiterer Vergewaltigungen versandeten in den Wirren der Wiedervereinigung.
    Zuerst driftet er nach Kassel, wo sein biologischer Vater es zum Stadtrat gebracht hatte. Bei dem kommt er einige Monate unter, bis der von Nicolais krimineller DDR-Karriere erfährt und ihn rausschmeißt. In Kassel arbeitet er als Spüler in einer Gastwirtschaft. „Damals“, sagte er im Gerichtssaal, „begann meine Laufbahn in der Gastronomie.“
    Mir war absolut nicht zum Lachen zumute, denn sonst hätte ich bei diesen Worten gelacht. Nach einem halben Jahr wird er entlassen. Zweite Monate steht er auf der Straße, dann vermittelt ihn das Arbeitsamt nach Saarbrücken. Er wird Küchenhelfer bei einem exklusiven französischen Party-Service. Manchmal, wenn gerade kein Fahrer da ist, darf Nicolai Buffets zu Kunden fahren, obwohl er zum Gemüseschneiden und Kartoffelschälen eingestellt worden ist. Bei den Kunden ist er freundlich und beflissen. Er baut Buffets auf und hilft bei der Tischdekoration. Der Chef des Partyservices bestätigt im Gerichtssaal, daß Nicolai bei seinen Kunden beliebt war.
    „Zum ersten Mal in meinem Leben“, sagte Nicolai im Gerichtssaal, „habe ich da Anerkennung bekommen. Einmal kam der Chef rein und sagte zu mir: ‚Die Frau Soundso von Demag hat angerufen und sich für die gute Abwicklung bedankt’. Sie hat mich ganz ausdrücklich erwähnt. Dann sagte der Chef noch: ‚Gut gemacht, wenn das weiter so klappt, dann hast du bald eine prima Stelle hier’.“
    Überhaupt sind die Jahre in Saarbrücken eine gute Zeit für ihn. Er macht den Führerschein und kauft sich den Opel Corsa, in den er Florian später hineinzerren wird. Er lernt Monja Hoffmann kennen, eine junge Frau, die beim einzigen großen Softwarehaus des Saarlandes als Eventmanagerin beschäftigt ist. Sie ist sechs Jahre älter als Nicolai, ausgesprochen hübsch, hat studiert und fährt einen flotten Sportwagen. Sie stammt aus einer der prominenten Familien des Saarlandes und bewegt sich in einer fröhlichen Clique junger Leute ohne Geldsorgen. Nicolai tut, was er kann, um mitzuhalten, aber er ist von Anfang an chancenlos. Er hat seiner Freundin erzählt, er wäre der zweite Mann nach dem Chef bei La Carotte und würde im Monat zehntausend Mark verdienen. In Wirklichkeit kommt er auf keine fünfzehnhundert. Das reicht ihm hinten und vorne nicht. Er beantragt eine Kreditkarte und kauft damit an einem Vormittag für fünftausend Mark Hosen, Hemden, Pullover, Krawatten, Socken, Rasierwasser, Ledergürtel, Sportschuhe und Seidenschals. Er will aussehen und sein wie die anderen. Er hofft, daß er das Geld irgendwie auftreiben wird, bis das Kreditkartenunternehmen abbucht. Als er sich zum ersten Mal im Glanz seiner neuen Sachen mit Monjas Freuden trifft, überwältigt ihn das Glücksgefühl. Er erzählt von einer Erbschaft in den USA, von Villen und Hotels in der Karibik, alles Familienbesitz, er schmeißt Lokalrunden und finanziert Clubabende. Da er einmal mit

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