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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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ich nichts bin und nichts kann, das hat schon mein Stiefvater immer zu mir gesagt. Was mich wirklich wütend gemacht hat, war, daß sie das alles damit in Zusammenhang gebracht hat, daß ich aus dem Osten bin, daß ich mich wie ein Parasit , das sagte sie immer wieder: wie ein Parasit , in ihre Kreise reingeschwindelt hätte, obwohl ich doch nichts als ein Subjekt aus der Gosse sei.“
    „Sie haben Frau Hoffmann dann zusammengeschlagen?“ sagte der Vorsitzende in seinem immer gleichen monotonen Singsang, als würde er Geld zählen.
    „Ich bin ausgerastet, das wäre jeder in einer solchen Situation.“
    „Und wenn Sie ausrasten, dann hat das Opfer eine geplatzte Braue, gebrochene Rippen, einen gebrochenen Kiefer, Quetschungen und Blutergüsse am ganzen Körper, einen gebrochenen Daumen und Glassplitter im Auge, weil Sie ihm die Brille zerbrochen haben?“
    „Ich glaube nicht, daß ich das alles getan habe. Es ging heiß her, klar, aber ein richtiger Kampf war das nicht. Überhaupt hatte die auch noch Streit mit anderen Typen.“
    Nichts schlachtete die regionale Presse so aus wie die Tatsache, daß Nicolai sich in eine der prominenten Familien des Saarlandes eingeschliche n und eine junge Frau, die ihn geliebt hatte, schwer verletzt und überdies nur benutzt hätte, um sich eines unbeschwerten Sommers inmitten der Jeunesse dorée des Saarlandes zu erfreuen. In den Saarbrücker Nachrichten gab es seitenweise Berichte über die zehn Promifamilien, die es ihm Saarland gibt, über ihre diversen Verflechtungen untereinander und ihre jungen Sprößlinge, die nichts anderes zu tun haben, als in teuren Autos vor teuren Lokalen zu parken und darauf zu warten, daß etwas Aufregendes passiert. Für die Zeitungen schien es nur wichtig zu sein, daß eine der Töchter dieser Familien sich mit einem kriminellen Habenichts eingelassen hatte, dessen Hauptverbrechen nicht darin bestand, daß er Frauen mißhandelt und ein Kind getötet hatte, sondern die Frechheit besaß, sich als Bürgerlicher unter moderne Geldadelige zu mischen.
***
    Am neunten Verhandlungstag sollte Nicolai endlich den Hergang erzählen, wie er Florian entführt und getötet hatte. Der Gerichtsaal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Nicolai war an diesem Tag aufgeregter und nervöser als an den Tagen zuvor. Er erzählte stockend und unvollständig von der Tat, die Florians Leben ausgelöscht hatte. Einige Male begann er zu schluchzen.
    Am Morgen des dreizehnten Oktober 1992 sei er nach einer Nacht voller Alpträume, Liebeskummer und Depressionen wegen dem Ende seiner Beziehung mit Monja Hoffmann erwacht.
    „Bei der Morgentoilette“, sagte Nicolai mit weißem Gesicht und rotgeränderten Augen, „kam ich auf den Gedanken, mir ein Kind zu holen." Er schluchzte kurz.
    „Der Gedanke, ein Kind in meiner Gewalt zu haben, erregte mich sexuell. Gedanken an Macht sind da durch mein Hirn geflossen, ich habe an ein Kind gedacht und an meine Niederlagen beim weiblichen Geschlecht.“
    Kurz vor acht trank er eine halbe Wodkaflasche leer, packte eine Strumpfmaske, zwei Nylonschnüre und einige Kondome in eine Plastiktüte, dann ging er aus dem Haus und fuhr mit seinem Corsa los.
    „Mit welchem Ziel sind Sie losgefahren?“ wollte der Staatsanwalt wissen.
    „Keine Ahnung, ich hatte kein Ziel. Ich wollte nur fahren. Autofahren erregt mich manchmal, ich fühle mich dann als Herrscher der Straße. An diesem Morgen war es auch so. Ich fuhr los, und die Spannung in mir stieg unterm Fahren.“
    Er fuhr zwanzig Minuten ziellos durch Saarbrücken, bis er von der Stadtautobahn nach St. Arnual abbog.
    „Ich hatte mir vorgenommen, das erste Kind, das ich sehen würde, in meine Gewalt zu bringen. Ich bin dann die Saargemünder Straße hinuntergefahren und habe einen Jungen auf einem Rad gesehen. Er hatte eine ganz merkwürdiges Rad, ein Dreirad wie für kleine Kinder, nur daß er schon älter war.“
    „Haben Sie erkannt, daß der Junge eine Gehbehinderung hatte?“ fragte einer der Richter.
    „Ja, das rechte Bein des Jungen war irgendwie kürzer als das linke, drum ist er auch so komisch in die Pedale getreten, irgendwie unregelmäßig, sein Oberkörper bewegte sich immer auf und ab.“
    „Und dann?“
    „Ich bin dann mit dem Auto auf gleiche Höhe gefahren und, und ...“
    Hier schluchzte Nicolai.
    „Haben Sie den Jungen angefahren?“
    „Er hat von selbst angehalten.“
    „Nein, nein“, hier schaltete sich plötzlich der Staatsanwalt ein mit einer Stimme, als wäre

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