Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
als Rechtsbruch kritisiert. Zum Teil galt die Empörung wohl ebensosehr der Sache wie der Person: Viele der Prozeßmaximen Konrads, etwa die Einschränkung von Verteidigungsrechten oder die Zulassung von Zeugenaussagen Tatbeteiligter, waren damals noch neu und unerhört, sollten später aber zum Standardrepertoire der Ketzerjustiz gehören (Patschovsky). Mit dem Tod Konrads von Marburg, der im Sommer 1233 erschlagen wurde, endete der Paukenschlag der Inquisition in Deutschland, ohne daß «nachfolgend ein großes Orchester eingesetzt» hätte (Kurze). Neben der Diskreditierung der Ketzerverfolgung durch einen Sonderlegaten des Papstes spielte dabei sicher auch die sich veränderndepolitische Großwetterlage, die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Kurie und Kaiser Friedrich II., eine Rolle.
Die päpstliche Inquisition bildete in den folgenden beiden Jahrhunderten keine feste Größe im deutschen Reich. Während etwa in der österreichischen Kirchenprovinz in der zweiten Hälfte des 13. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Bekämpfung der katharischen und waldensischen Häretiker ausschließlich in den Händen des Diözesanbischofes und des herzoglichen Landesherren lagen, gelang es den Bettelorden im benachbarten Königreich Böhmen am Anfang des 14. Jahrhunderts, den Bischöfen die Ketzergerichtsbarkeit für längere Zeit zu entfremden. Trauriger Höhepunkt des rund einhundertjährigen kontinuierlichen Wirkens der Inquisition in Böhmen zwischen 1318 und dem Vorabend des Konstanzer Konzils bildeten die Massenverfolgungen des Gallus von Neuhaus um 1340 in den waldreichen Gegenden Südböhmens, wo sich im Zuge des Landesausbaus des 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts auch zahlreiche Waldenser angesiedelt hatten. Die letzte bekannte Aktion eines päpstlichen Inquisitors in Böhmen steht unmittelbar in Zusammenhang mit dem Wirken des Magisters Jan Hus, der Leitfigur einer kirchenkritischen Reformbewegung in Prag. Vier Wochen vor dessen Abreise zum Konzil in Konstanz im August 1414 stellte Nikolaus Wenceslai als päpstlicher Inquisitor dem Magister Hus eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung in Glaubensdingen aus, offenbar eine Gefälligkeit für König Wenzel. Der Inquisitor landete daraufhin vorübergehend im Gefängnis des Konstanzer Konzils. Jan Hus wurde verhaftet, in einem summarischen Ketzerprozeß als hartnäckiger Häretiker verurteilt und am 6. Juli 1415 dem Scheiterhaufen überantwortet. Die sich anschließenden langwierigen religiösen Auseinandersetzungen zwischen katholischer Orthodoxie und der Hussitenbewegung vollzogen sich vorwiegend auf der militärischen Ebene, in Form von Kreuzzügen bzw. bewaffneten Missionszügen. Die Inquisition sollte dabei, jedenfalls in Böhmen, keine Rolle mehr spielen.
Außerhalb Böhmens, im übrigen Deutschland, lassen sich bis weit in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts nur wenige Ketzerbekämpfermit päpstlichem Legat feststellen. Die Verfolgung von Häretikern lag in den Händen der Ortsbischöfe und ihrer Amtsträger, wie etwa die Prozesse gegen freigeistige Beginen und Begarden in Straßburg am Beginn dieses Jahrhunderts zeigen. Erst seit einer Initiative Papst Urbans V. vom Oktober 1364 scheint sich die routinemäßige Besetzung der Inquisitorenämter für die meisten deutschen Kirchenprovinzen eingebürgert zu haben, so daß eine zumindest formale Kontinuität der Inquisition bis zur Reformation bestand. In den folgenden Jahrzehnten entfalteten einzelne von ihnen eine beachtliche Tätigkeit, darunter nicht nur Dominikaner. Neben Walter Kerlinger, Heinrich Angermeier und dem bischöflichen Vikar Martin von Amberg (von Prag) tat sich vor allem der Coelestiner-Ordensprovinzial Peter Zwicker hervor. In der österreichischen Steiermark soll er über 100 Ketzer zum Tode verurteilt haben. Anders gestaltete sich dagegen das Schicksal von mehr als 450 Waldensern, die er zwischen 1392 und 1394 in Stettin verhörte. Sie erschienen in der Regel freiwillig, wenn nicht sogar unaufgefordert vor dem Inquisitor und präsentierten sich reumütig und bekehrungswillig. Der Inquisitor honorierte dieses Verhalten durch entsprechend leichte Sanktionen, unter denen die öffentliche Stigmatisierung mit dem Stoffkreuz noch die schwerste darstellte. Eine erneute Inquisition in Brandenburg sollte 1458 an den Tag bringen, daß die Waldensergemeinde insgeheim fortbestand und ihre Untergrundstrukturen sogar noch ausgebaut hatte. Bei dieser erneuten
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