Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
waren immer wieder vom Häresieverdikt bedroht. Bald gerieten auch die Gedanken, Werke und Anhänger des Erasmus in Spanien in den Ruch der Ketzerei, und zwar bereits in einer Zeit, als sie in anderen Teilen des katholischen Europa noch als Gipfel rechtgläubiger Gelehrsamkeit erschienen.
Bis Ende der 1550er Jahre gibt es allerdings kaum wirkliche Indizien dafür, daß die Lutheraner in Spanien eine größere Anhängerschaft gewinnen konnten. 1558/59 änderte sich das. Unter der Führung des Generalinquisitors Fernando de Valdés (gest. 1568) wurden in Sevilla und Valladolid Protestantengemeinden ausgehoben. Es kam zu einer relativ harten Verfolgung, zu einer Reihe von aufsehenerregenden öffentlichen Glaubensakten (
autodafés
) und etlichen Dutzend Hinrichtungen. Angeheizt wurde die Protestantenverfolgung nicht zuletzt durch Philipp II., die Regentin Juana und den alten Karl V., der nach seiner Resignation als Kaiser das Geschehen aus seinem klösterlichen Alterssitz in der Extremadura heraus ängstlich kommentierte. Nach den bösen Erfahrungen in Mitteleuropa ging es für ihn bei der Bekämpfung der lutherischen Häresie eben nicht nur um religiöse Angelegenheiten, sondern ebenso um politischen Aufruhr. Quantitativ gesehen war die Protestantenverfolgung zwischen 1559 und 1566 weniger gravierend als oft angenommen. Vielleicht wurden in diesem Zeitraum insgesamt gut hundert Personen von der Inquisition zum Tode verurteilt. Allein unter Königin Maria der Katholischen wurden in England dreimal so viele Hinrichtungen verzeichnet. Dennoch war die Wirkung der Protestantenverfolgung auf der spanischen Halbinsel nachhaltig: Zum einen konnte sich die Inquisition in diesem Zusammenhang organisatorisch weiter konsolidieren. Zum anderen stellte der Protestantismus durch seine Enthauptung keinerlei wirkliche Herausforderung mehr dar. Viele spanische Intellektuelle und Sympathisanten mit der Reformation wandertenin der Folge aus. Wenn die Inquisition seit 1560 noch Häretiker fand und verurteilte, dann handelte es sich meistens um zugereiste Fremde, etwa um englische oder französische Seeleute, was dazu beitrug, die Spanische Inquisition im ganzen nichtkatholischen Teil Europas bekannt und verhaßt zu machen.
Auch auf dem Gebiet der Zensur bildeten die späten 1550er Jahre einen wichtigen Wendepunkt. Bereits in früheren Jahrhunderten hatte es den Versuch einer Kontrolle des geschriebenen Wortes gegeben; ebenso wurden Handschriften wie der als ketzerisch angesehene jüdische Talmud auf dem Scheiterhaufen vernichtet. Mit der Entfaltung des Buchdrucks jedoch entstand potentiell ein Massenmarkt für religiöse und damit auch für häretische Literatur. Die neuzeitlichen Ketzerverfolger standen nun vor der ungeheuren Aufgabe, nicht nur die Verfasser, sondern auch die Drucker, Händler und Leser ketzerischen Schrifttums systematisch zu kontrollieren. Während die spanische Krone Lizenzen vergab, um die Produktion erlaubter Druckerzeugnisse zu steuern, konzentrierte sich die Inquisition auf die Kontrolle verbotener Bücher. Nach dem Modell auswärtiger Vorbilder (Paris 1542, Löwen 1546) wurde im Sommer 1559 unter der Regie des Generalinquisitors Fernando de Valdés ein umfangreicher Index der verbotenen Bücher zusammengestellt und publiziert. Im Gefolge des großen Tridentiner Index von 1564 verfeinerte man in Spanien 1571 die Zensurbestimmungen. Der neue, erweiterte Index sah z.T. die «Reinigung» von Büchern von verletzenden oder häretischen Passagen vor, um sie vor dem völligen Verbot zu bewahren. Der große zweibändige Index von 1583/84 führte diese Linie ebenso fort wie die späteren Neuauflagen des 17. Jahrhunderts. Er umfaßte 2315 Werke, davon ca. 75 Prozent in lateinischer, 8,5 Prozent in kastilischer und 17,5 Prozent in anderen Sprachen verfaßt, darunter viele, die ohnehin niemals ihren Weg auf den iberischen Büchermarkt gefunden hätten.
Die Inquisition versuchte, Einfuhr und Verkauf verbotener Bücher zu verhindern. In Häfen wie Sevilla oder Barcelona beanspruchte sie das Recht, die Ladung fremder Schiffe als erste zu untersuchen. Daneben wurden Razzien in Buchläden durchgeführt.Vor allem blieb sie aber auf Anzeigen und Denunziationen aus der Bevölkerung angewiesen. Uneinheitlich gestaltete sich die Zensurpraxis aber auch wegen der widersprüchlichen Urteile der Zensoren – was der eine verbot, schlüpfte beim anderen noch durch. Die Reinigung von Büchern und Bibliotheken schließlich war ein
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