Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
die christliche Umwelt – stolz auf den eigenen Traditionen beharrten. So nahmen die Spannungen zwischen Altchristen und den Maurenchristen mit den Jahrzehnten zu und entluden sich 1568 in Granada, wo die
Moriscos
über 50 Prozent der Bevölkerung stellten, in einem weit ausstrahlenden Bürgerkrieg, der von beiden Seiten mit ungeheurer Grausamkeit geführt wurde. 1570 unterdrückte die Zentralgewalt den Aufstand durch massiven Einsatz von Truppen. Ein Dekret befahl anschließend die Zerstreuung der granadinischen Moriscos über ganz Kastilien, zum Teil als Sklaven. Vor vielen Inquisitionstribunalen, angefangen in Granada, aber auch in Valencia, kam es in der Folge zu einer Welle von Verfahren gegen die
Moriscos
. In der zweiten Hälfte des 16. und am Beginn des 17. Jahrhunderts überstieg ihre Zahl diejenige der angeklagten
Conversos
, aber auch diejenige der Protestanten bei weitem. Wenn auch die Repression, gemessen an der Schwere der Strafen, vergleichsweise mild ausfiel, so zeigt diese Verfolgungskonjunktur doch, daß die christliche Mission durch Vorbild und Überzeugung endgültig durch Zwang und Repression abgelöst wurde. Im Zeitalter der Türkenkriege – die Seeschlacht bei Lepanto im Jahre 1571 bildete hier einen Meilenstein – wurden die
Moriscos
als fünfte Kolonne der Türken betrachtet und bekämpft. Auch auf seiten der Muslime kam es zu einer Verhärtung, nicht wenige zeigten offen ihr Verharren beim islamischen Glauben.
Seit ca. 1580 mehrten sich deshalb die Plädoyers für eine völlige Vertreibung der
Moriscos
aus Spanien. Präzedenzfall dafür war die Austreibung der Juden 1492 – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Damals hatte es sich um taufunwillige Fremdgläubige gehandelt, jetzt diskutierte man die Exilierung einer Gruppe getaufter Christen! Viele Intellektuelle, darunter durchaus auch Inquisitoren, hielten deshalb eine solche Vertreibung für barbarisch und unchristlich. Durchsetzen konnten sichdiese Argumente nicht; rassistische Ausgrenzungsbestrebungen, religiös-kulturelles Einheitsbestreben und ökonomisches Gewinnkalkül – den bisher widerstrebenden Adligen wurde das Land der zu Vertreibenden versprochen – behielten die Oberhand. 1609 wurde die Vertreibung dekretiert; verwirklicht wurde sie in verschiedenen Stufen bis ins Jahr 1640. Alles in allem trieb man ca. 300.000
Moriscos
ins Exil; eine Minderheit von ca. 20.000 konnte mit Sondererlaubnissen als besonders privilegierte Gruppe oder als Sklaven bleiben, weswegen das gesamte 17. Jahrhundert hindurch einzelne Inquisitionsprozesse gegen diese Gruppe nachweisbar bleiben. Der große Schnitt aber war vollzogen. Auch wenn die
Moriscos
mit ca. 4 Prozent der spanischen Gesamtbevölkerung eine eher kleine Gruppe dargestellt hatten, so war gerade dort, wo sie sich konzentrierten (etwa in Valencia), eine ökonomische Katastrophe die Folge. Die Steuerbelastungen stiegen und das landwirtschaftliche Produktionsniveau sank. Auch für die Inquisition verdüsterte sich vielerorts die Zukunft: So beschwerten sich 1611 die Tribunale von Valencia und Saragossa darüber, daß die Vertreibung ihren Bankrott bewirkt habe, weil sie die 7500 Dukaten, die sie vorher als Grundrenten von den
Moriscos
erhalten hatten, nicht ersetzen konnten.
Protestantenverfolgung und Bücherzensur: Seit den 1520er Jahren wurde auch die Iberische Halbinsel von den Glaubenskontroversen und Reformdiskussionen erfaßt, die Mitteleuropa zu jener Zeit erschütterten und für die der Name Martin Luther stand. Theologen und Gelehrte, z.T. mit Zugang zum königlichen Hof, befürworteten eine Kirchenreform. Viele von ihnen waren enthusiastische Anhänger des Humanisten Erasmus von Rotterdam (1466/69–1536), unter ihnen auch der Generalinquisitor Alfonso Manrique (gest. 1538). Diesen – vergleichsweise wohl eher kleinen – intellektuellen Kreisen drohte im Zuge der religiösen Uniformierung in Spanien bald die Verketzerung als Sympathisanten Luthers. Zunächst rückten kleinere mystische oder spiritualistische Gruppen in den Blickpunkt der Inquisition. Da waren zunächst die Illuministen, die wegen
Alumbradismo
oder
Dejamiento
angeklagt wurden. Sie strebtennach dem völligen Sich-Versenken in Gott auf der Basis der Aufgabe des menschlichen Willens. Seit den 1520er Jahren wurden diese Zirkel von Inquisitoren verfolgt und ihre Mitglieder – eher milde – abgestraft. Auch die
beatas
, weibliche Mystikerinnen, die nicht im Schutz von Klostermauern wirkten,
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