Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
die ersten fünfzig Jahre. In der überwältigenden Mehrzahl standen die
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in ihrem Mittelpunkt. Allein das Tribunal von Toledo beschäftigte sich in diesem Zeitraum mit über 8000 Fällen; meist endeten sie mit Begnadigungen und Geldzahlungen aufgrund des Gnadenedikts. Die Zahl der Überstellungen an den weltlichen Arm war selbst in dieser ersten Hochphase nicht dominierend, jedoch signifikant höher als später gegen alle anderen Zielgruppen; mit einigen hundert Hinrichtungen allein in Toledo ist zu rechnen. Insgesamt reichen die Schätzungen über die Zahl der in persona zum Tode Verurteilten für ganz Spanien (1481–1530) von 1500 (Monter) bzw. 2000 (Kamen) bis zu 12.000 allein für Kastilien (Alpert nach dem zeitgenössischen Chronisten Hernando del Pulgar); in Valencia wurden zwischen 1484 und 1530 von 2160 «Judaisierern» 909 dem weltlichen Arm überstellt. Jenseits der konkreten Opferzahlen aber sind die mentalen Auswirkungen auf das religiöse und politische Klima des Zusammenlebens in Spanien kaum zu überschätzen; nicht zuletzt hatte die Zurückdrängung der
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aus dem öffentlichen Leben schwerwiegende ökonomische Folgen.
Ernsthaften Widerstand leisteten nicht nur die Vertreter der Neuchristen selbst und die Stände von Aragón, sondern auch viele Theologen und Intellektuelle. Sie kritisierten, daß die
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bestraft wurden, ohne zuvor fundiert in den christlichen Glauben eingewiesen worden zu sein. Im Fadenkreuz der Kritik standen auch Machtmißbrauch und Korruption mancher Inquisitoren, namentlich des Diego Rodríguez Lucero in Cordoba ab 1499. Sein Sturz führte gleichzeitig zur Absetzung des alten Generalinquisitors Diego de Deza und dessen Ersetzung durch den bekannten Reformbischof Francisco Ximenez (Jiménez) de Cisneros (gest. 1517), den Kardinalerzbischof von Toledo. Hoffnungen auf eine durchgreifende Reform der Inquisition erfüllten sich aber weder unter seiner Leitung noch unter der seines Nachfolgers,des niederländischen Kardinals Hadrian von Utrecht. Spätestens einige innere Aufstände, die den
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angelastet wurden, ließen die Opposition weitgehend verstummen. In den folgenden Jahrzehnten behauptete die Inquisition ihre Position, jedenfalls in Kastilien unter der altchristlichen Mehrheit, weitgehend unangefochten. Hier repräsentierte sie gewissermaßen die Mehrheitsmeinung und wurde im Zeitalter der Konfessionalisierung zu einem Symbol spanisch-katholischer Identität.
Das Königreich Portugal folgte mit einigen Abweichungen und zeitlichen Verzögerungen dem von Spanien vorgezeichneten Pfad, zumal es zwischen 1580 und 1640 ohnehin vom spanischen König annektiert und in Personalunion regiert wurde. Wie in Kastilien kannte man auch in Portugal keine mittelalterliche Inquisition. Waren die Konflikte zwischen Juden und Christen in dieser bevölkerungsarmen, aber expansiven Gesellschaft bis zum Ende des 15. Jahrhunderts eher selten, so änderte sich das mit der Vertreibung der Juden aus Spanien 1492. Durch den Zustrom von Asylsuchenden verdoppelte sich der jüdische Bevölkerungsanteil in Portugal binnen kürzester Zeit. König Manuel I. reagierte im Dezember 1496 auf die wachsenden Konflikte und Pogrome mit einem eigenen Vertreibungsedikt, das die Juden vor die bekannte Alternative Zwangstaufe oder Vertreibung stellte. Den z.T. unter unwürdigen Umständen zur Taufe genötigten Neuchristen wurde zwar für die nächsten Jahrzehnte der Verzicht auf eine Überprüfung ihrer Rechtgläubigkeit in Aussicht gestellt. Bereits 1515 allerdings erbat Manuel I. vom Papst die Genehmigung einer Inquisition für Portugal, eine Bitte, die er 1531 auf Druck seiner Untertanen erneuerte. Ein längeres Tauziehen zwischen Kurie und Krone um die jeweiligen Einflußmöglichkeiten folgte, untermalt von diplomatischen Versuchen der portugiesischen
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, die Einführung einer Inquisition zu verhindern. Mit päpstlicher Bulle vom 23. Mai 1536 wurden schließlich drei Inquisitoren für Portugal ernannt, und dem König wurde das Recht zur Benennung eines vierten zugestanden. Langfristig sollten sich im portugiesischen Mutterland drei Tribunale in Coimbra, Lissabon und Evora behaupten; außerdem wurde 1560 in Goaein für Asien zuständiges Tribunal etabliert. Während dieser Inquisitionsgerichtshof notorisch für sein Vorgehen gegen andersgläubige Seeleute aus der alten Welt wurde, konzentrierte sich die portugiesische Inquisition in der Heimat noch mehr als ehemals die
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