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Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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königlicher Premierminister materielle Vorteile über das Ziel religiöser Uniformität stellte. Nach dessen Sturz im Jahr 1643 aber, verursacht durch außenpolitische Mißerfolge ebenso wie durch innere Aufstände und die Loslösung Portugals 1640, wurde der moderate Generalinquisitor Antonio de Sotomayor zum Rücktritt genötigt und durch den Hardliner Diego de Arce y Reynoso (gest. 1665) ersetzt. Die Befürworter eines konsequenten Vorgehens gegen die Neuchristen jüdischer Herkunft setzten sich mit ihren Schreckensbildern einer kryptojüdischen Verschwörung durch. Einmal mehr wurden die
Conversos
zur hauptsächlichen Zielgruppe der Ketzertribunale. Zwischen 1659 und 1739 richteten sich 71 Prozent der Urteile vor den spanischen Inquisitionsgerichtshöfen (2317 von 3260) gegen sie. Die Inquisition verhaftete einen nach dem anderen aus dem Kreis der reichen Kaufleute und erpreßte sie um hohe Geldsummen. Ungefähr zwölftausend neuchristliche Familien gingen ins englische oder niederländische Exil.
    Die Verfolgung der
Conversos
setzte sich mindestens bis in die zwanziger Jahre des 18. Jahrhunderts fort. Dabei gingen die Verfolger durchaus selektiv vor, tasteten manchmal z.B. das Firmenvermögen von Verurteilten nicht an, um weitere wirtschaftliche Probleme zu vermeiden. Auch wäre es falsch, sich das Leben potentieller Opfer als eine Kette ununterbrochener Repression und Angst vorzustellen. Die ganze Zwiespältigkeit ihrer Existenz läßt sich etwa am Schicksal des Dr. Diego Mateo Zapata (geb. 1664) veranschaulichen, der von seiner Mutter im jüdischen Glauben erzogen worden war. Dreimal – 1678, 1692 und 1725 – wurde er im Laufe seines Lebens von der Inquisition verhaftet, verbrachte mehrere Jahre in Haft, mußte auf zwei Autodafés abschwören und verlor die Hälfte seiner Güter. Dazwischen lebte er als anerkannter und wohlhabender Gelehrter in Madrid, war Präsident der königlichen Gesellschaft für Medizinin Sevilla und Mitbegründer der Akademie für Medizin in der Hauptstadt, wo er hoch angesehen 1745 starb.
    Das Ende der Spanischen Inquisition: In den Jahren nach 1730 ging die Zahl der Verurteilten und Angeklagten radikal zurück. Unter der Handvoll jährlicher Fälle vor einem Inquisitionstribunal befanden sich kaum noch Verfahren gegen Neuchristen; eher beschäftigten sich die Ketzerjäger mit Moral, Sexualität und Magie. Lediglich zweimal, 1763 und 1781, kam es im Anschluß an ein Autodafé noch zu einer Ketzerverbrennung. Der zweite Fall, die letzte Hinrichtung aufgrund eines Inquisitionsurteils, betraf die Visionärin María de los Dolores López, die behauptet hatte, in direktem Kontakt zur Muttergottes zu stehen und Millionen Seelen aus dem Fegefeuer zu retten. Die Geschicke der Inquisition in der Spätzeit waren vor allem von zwei Faktoren bestimmt: Da war einmal der Wille der spanischen Bourbonen-Könige, die Ketzerverfolgungsbehörde strikt den Weisungen der Krone zu unterwerfen und ihre Zuständigkeiten einzuschränken. Zum zweiten hatte die Inquisition mit der Aufklärung zu tun. Der Abwehrkampf gegen die modernen Ansichten über Vernunft und Menschenrechte führte zu einer konservativen Verhärtung inquisitorischer Positionen, die die Behörde gleichzeitig der Unterstützung maßgeblicher intellektueller Eliten beraubte.
    Die Schlußakkorde der Iberischen Inquisitionsgeschichte fallen in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Bereits im Krieg mit Frankreich waren viele Güter der Inquisition von der Regierung eingezogen, ihre vormals vom Militärdienst befreiten Helfer eingezogen worden. Der französischen Okkupation und der Einsetzung des Napoleon-Bruders Joseph als spanischem König leistete die Mehrheit der Bevölkerung Widerstand. Nach anfänglicher Kollaboration mit den Besatzern schloß sich die
Suprema
an und wurde durch ein von Napoleon persönlich unterzeichnetes Dekret vom Dezember 1808 verboten. Außerhalb des französischen Machtbereichs beschloß das spanische Parlament, die Cortes, am 22. Februar 1813 ebenfalls die Aufhebung der Inquisitionstribunale; die Reinheit des Katholizismus sei bei den Bischöfen besser aufgehoben, so hieß es zur Begründung. Bereitsim Folgejahr setzte der zurückgekehrte König Ferdinand VII. die Inquisition wieder ein. Jedoch konnte dieser Beschluß die Agonie der Ketzerverfolgungstribunale nicht durchbrechen. Nach einer zweiten – durch politischen Druck erzwungenen – Abschaffungsorder 1820 und deren erneuter Aufhebung im gleichen

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