Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
Welt waren zunächst bischöfliche Inquisitoren tätig, bevor in Mexiko und Lima (1569/70), dann schließlich in Cartagena (1610) eigene Tribunale gegründet wurden. Jedes der schließlich 20 Tribunale sollte mit zwei Inquisitoren besetzt sein, wobei die größeren am Ende des 16. Jahrhunderts in der Regel drei Inquisitoren hatten.
Eine weitere Eigenheit der Spanischen Inquisition – gerade in Abgrenzung zu ihren Vorläufern und der römischen Schwester – bildete die Tatsache, daß es sich bei ihren Inquisitoren um Exponenten einer bürokratischen Juristenelite handelte. Sicherlich, Tomás de Torquemada war Dominikaner, doch von einer Dominanz der Bettelorden kann insgesamt keine Rede sein. In Valencia gehörten zwischen 1482 und 1609 von 52 Inquisitoren nur sechs dem Predigerorden an. Vor allem mußte ein spanischer Inquisitor ein versierter Jurist sein; eines Theologen bedurfte es dabei nicht unbedingt, auch Laien konnten das Amt bekleiden. Die Karriere eines Inquisitors konnte von der Peripherie in die Zentrale nach Madrid führen. Das Amt konnte aber auch Meilenstein für andere hohe geistliche und weltliche Positionen außerhalb der Inquisition darstellen. Häufige Rotation stellte sicher, daß die Inquisitoren sich meist nicht aus der jeweiligen Region rekrutierten und keinen lokalen Loyalitäten, sondern nur ihren Amtsaufgaben verpflichtet waren. Neben den Inquisitoren besaßen die Tribunale einen Stab von Helfern und ein breites Netz von Unterstützern. Pro Gerichtsbezirk wird man im Schnitt mit ca. einem Dutzend fest besoldeter Amtsträger rechnenkönnen, vom
procurator fiscalis
, dem amtlichen Ankläger, über Assessoren und Sekretäre bis hinunter zum Gefängnisaufseher. Dazu kamen weitere Notare, Konsultatoren und insbesondere die zahlreichen Kommissare, die sich aus dem lokalen Klerus rekrutierten; durch sie konnte die Inquisition ihre Autorität auch in weiter entfernten Orten zur Geltung bringen.
Schließlich die
familiares
, die «vertrauten» Laien: Es hatte sie bereits im Mittelalter gegeben, und auch das
Sanctum Offizium
in Rom bediente sich ihrer, aber nirgends blühte das System der Laienhelfer derart wie auf der Iberischen Halbinsel. Sie leisteten umfassende Hilfsdienste für die Inquisition, indem sie etwa nach Entflohenen fahndeten und Verdächtige verhafteten. Für die Erfüllung dieser «Drecksarbeit» (Monter) genossen sie im Gegenzug eine Reihe von Privilegien wie partielle Steuerbefreiung, das Recht, Waffen zu tragen, und dasjenige, nur vor der Inquisition abgeurteilt zu werden. Prinzipiell war die Ernennung eine Ehre, die z.T. hohen Adligen zuteil wurde. Die meisten der
familiares
waren jedoch einfache Leute, Bauern und Handwerker. Ihr zahlenmäßiges Aufkommen war unterschiedlich, z.T. wurden quantitative Höchstgrenzen festgesetzt. 1567 kam im Bezirk Valencia ein Vertrauter der Inquisition auf 42 Haushalte, während 1611 im abgelegenen Galicien das Verhältnis lediglich 1: 241 betrug, wobei sich die Familiaren zudem noch in wenigen Städten und Orten konzentrierten. Die große Zahl waffentragender, von der normalen Gerichtsbarkeit befreiter Personen erweckte in der Bevölkerung vielerorts Bedenken und provozierte Kritik. Tatsächlich wurden bewaffnete Familiare für eine Vielzahl von Gewalttaten verantwortlich gemacht, die von der Inquisition nur zögernd geahndet wurden. Nicht zuletzt diese Exzesse prägten lange das Image der
familiares
als Mörder, Spitzel und Denunzianten auch in der Geschichtsschreibung. Strukturell gesehen, war dieses System der Laienhelfer ein Versuch, dem notorischen Defizit an Vollzugsmacht zu begegnen, mit dem alle weltlichen und kirchlichen Mächte in der Vormoderne zu kämpfen hatten. Privilegien und Sozialprestige für diejenigen, die sich als Arm der Inquisition zur Verfügung stellten – im alteuropäischen Rahmen war das weder ein völligaußergewöhnliches noch ein unplausibles Geschäft auf Gegenseitigkeit.
Ein in der Forschung heiß diskutierter Punkt ist die Finanzierung der Inquisition. Handelte es sich um eine räuberische Einrichtung, die sich über Konfiskationen und Strafgelder selbst alimentierte und schon allein deshalb ein starkes materielles Verfolgungsinteresse besaß? Ganz falsch ist dieses Bild nicht, bedarf aber einer starken Differenzierung nach Raum und Zeit. Die Konfiskation stellte in der Tat die im kanonischen Recht vorgesehene Standardstrafe für Häresie dar. Bereits bei der Verhaftung wurde das Vermögen der Inhaftierten
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