Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
Vom Netzwerk:
Schutzschild!«
    Emma lachte. »Wyn, du bist ein Genie.«
    »Millard kann auf meinem Rücken reiten«, sagte sie. »Und ihr beiden haltet euch hinter mir.«
    Emma zog Millard herauf und legte seine Arme um Bronwyn. »Es ist herrlich da unten«, sagte er. »Emma, warum hast du mir nie von den Engeln erzählt?«
    »Welche Engel?«
    »Die hübschen grünen Engel, die da unten wohnen.« Er zitterte, und seine Stimme klang verträumt. »Sie haben mir angeboten, mich mit in den Himmel zu nehmen.«
    »Noch kommt keiner von uns in den Himmel«, sagte Emma mit besorgtem Blick. »Du hältst dich einfach an Bronwyn fest, okay?«
    »Klar«, antwortete er geistesabwesend.
    Emma ging hinter Millard und drückte ihn gegen Bronwyns Rücken, damit er nicht wegrutschte. Ich bildete den Schluss dieser sonderbaren Polonaise. So arbeiteten wir uns langsam auf dem Wrack vorwärts. Wir waren ein gutes Ziel, und Golan begann sofort, eine ganze Salve auf uns abzufeuern. Das Geräusch der von der Tür abprallenden Kugeln war ohrenbetäubend – aber irgendwie auch beruhigend. Schließlich verebbte der Kugelhagel. Ich war nicht optimistisch genug, um zu glauben, dass ihm die Munition ausgegangen war.
    Als wir das Ende des Wracks erreicht hatten, führte Bronwyn uns vorsichtig ins offene Meer. Unsere Polonaise verwandelte sich in ein Knäuel paddelnder Hunde. Emma ließ Millard die ganze Zeit Fragen beantworten, damit er nicht das Bewusstsein verlor.
    »Millard! Wer ist Premierminister?«
    »Winston Churchill«, antwortete er. »Hältst du mich für blöd, oder was?«
    »Was ist die Hauptstadt von Burma?«
    »Keine Ahnung. Rangun?«
    »Ausgezeichnet! Wann hast du Geburtstag?«
    »Würdest du aufhören, so zu schreien, und mich in Ruhe bluten lassen?«
    Wir brauchten nicht lange, um die kurze Distanz zum Leuchtturm zu überwinden. Als Bronwyn auf die Felsen kletterte, feuerte Golan wieder ein paar Schüsse ab. Durch den Aufprall verlor Bronwyn das Gleichgewicht. Sie taumelte und wäre fast rückwärts gestürzt. Emma legte die Hände auf Bronwyns Kreuz und schob. Schließlich torkelte Bronwyn samt der Tür auf den ebenen Boden. In der kalten Nachtluft zitternd, drängten wir hinter ihr her.
    Der Felsen hatte an der breitesten Stelle einen Durchmesser von ungefähr fünfzig Metern und war im Prinzip eine kleine Insel. Der Leuchtturm stand auf einem steinernen Podest. Eingelassene Stufen führten zur Tür hinauf. Golan stand oben auf dem Podest und richtete die Waffe auf uns.
    Ich riskierte einen Blick durch das Bullauge. In der einen Hand hielt er einen kleinen Käfig, in dem zwei mit den Flügeln schlagende Vögel so dicht aufeinanderhockten, dass ich nicht hätte sagen können, wo der eine aufhörte und der andere anfing.
    Eine Kugel sauste vorbei, und ich duckte mich.
    »Kommt noch einen Schritt näher, und ich töte die beiden!«, rief Golan und schüttelte den Käfig.
    »Er lügt«, sagte ich, »er braucht die Vögel.«
    »Das kannst du nicht wissen«, widersprach Emma. »Letztlich ist er verrückt.«
    »Aber wir können nicht einfach
nichts
tun!«
    »Wir stürzen uns auf ihn«, sagte Bronwyn. »So schnell weiß er dann nicht, was er zuerst tun soll. Aber wir müssen es
jetzt
tun!«
    Und bevor wir überhaupt eine Chance hatten, zu widersprechen, rannte Bronwyn auf den Leuchtturm zu. Uns blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen – schließlich trug sie unseren Schutz. Die Kugeln prallten von der Tür und von dem felsigen Boden ab.
    Bronwyn war zum Fürchten: Sie brüllte wie ein Barbar, die Venen in ihrem Nacken traten hervor, und auf ihrem Rücken und den Armen war Millards Blut verschmiert. Ich war plötzlich heilfroh, nicht auf der anderen Seite der Tür zu stehen.
    Als wir uns dem Leuchtturm näherten, schrie Bronwyn: »Lauft hinter das Podest!« Emma und ich schnappten uns Millard und bogen nach links, um hinter dem Podest in Deckung zu gehen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Bronwyn die Tür hob und auf Golan schleuderte.
    Man hörte ein gewaltiges Krachen, gefolgt von einem Schrei. Nur Augenblicke später kam Bronwyn zu uns geeilt, keuchend und rot im Gesicht.
    »Ich habe ihn getroffen!«, rief sie.
    »Was ist mit den Vögeln?«, fragte Emma. »An die hast du wohl gar nicht gedacht?«
    »Den Käfig hat er fallen gelassen. Es geht ihnen gut.«
    »Du hättest uns trotzdem fragen können, bevor du Amok läufst und unser Leben gefährdest«, schimpfte Emma.
    »Ruhe«, zischte ich. Wir hörten das Geräusch von klapperndem Metall.

Weitere Kostenlose Bücher