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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
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Intensität ließen keinen Zweifel daran, dass sie dieses Mal kein Licht, sondern eine Waffe heraufbeschworen hatte.
    »Wir sollten uns trennen«, schlug ich vor. »Du gehst rechtsherum und ich links. Dann kann er uns nicht entwischen.«
    »Ich habe Angst, Jacob.«
    »Ich auch. Aber er ist verletzt, und wir haben seine Waffe.«
    Emma nickte und berührte mich am Arm. Dann ging sie.
    Langsam bog ich um den Scheinwerfer, umklammerte die vielleicht noch geladene Pistole.
    Nur wenige Meter weiter hockte Golan mit gesenktem Kopf auf dem Boden und lehnte mit dem Rücken am Geländer. Der Vogelkäfig stand zwischen seinen Knien. Golan blutete stark aus einer tiefen Platzwunde über dem Nasenrücken, rote Bäche rannen wie Tränen über seine Wangen.
    An den Stäben des Käfigs befand sich eine kleine rote Lampe. Sie blinkte alle paar Sekunden.
    Ich trat einen Schritt vor. Golan hob den Kopf. Sein Gesicht schien nur aus getrocknetem Blut zu bestehen, in dem die weißen Augen leuchteten. In seinen Mundwinkeln hing Speichel.
    Schwankend stand er auf, den Käfig in der Hand.
    »Stellen Sie den Käfig hin«, befahl ich.
    Er beugte sich vor, als wolle er das tun. Stattdessen lief er los. Ich brüllte, er solle stehen bleiben, und folgte ihm. Aber kaum war er um die Kurve verschwunden, da sah ich Flammen auflodern. Heulend kam Golan zurückgewichen, mit qualmendem Haar und den Arm schützend vor das Gesicht gelegt.
    »Stehen bleiben!«, schrie ich erneut. Golan erkannte, dass er in der Falle saß. Er hob den Käfig wie ein Schutzschild und schüttelte ihn heftig. Die Vögel kreischten und hackten durch die Stäbe nach seiner Hand.
    »Nur zu, verbrennt mich! Dann werden die Vögel auch verbrennen! Erschieß mich, und ich werfe sie hinunter!«, schrie Golan.
    »Nicht, wenn ich auf Ihren Kopf schieße!«
    Er lachte. »Du könntest nie auf jemanden schießen. Du vergisst wohl, dass ich bestens mit deiner armseligen, zerbrechlichen Psyche vertraut bin. Du würdest Alpträume bekommen.«
    Ich versuchte, es mir vorzustellen: wie ich den Finger am Abzug krümmte; der Rückstoß und der fürchterliche Knall. Was war so schlimm daran? Warum zitterte meine Hand, wenn ich nur daran dachte? Wie viele Wights hatte Großvater wohl getötet? Dutzende? Hunderte? Wenn er an meiner Stelle wäre, hätte Golan bereits das Zeitliche gesegnet, während er benommen am Geländer lehnte. Ich hatte die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen – ein Sekundenbruchteil feiger Unentschlossenheit, die möglicherweise die Ymbrynes das Leben kostete.
    Der riesige Scheinwerfer tauchte uns für einen Moment in strahlend helles Licht. Golan verzog das Gesicht und musste wegsehen. Noch eine verpasste Gelegenheit, dachte ich.
    »Stellen Sie den Käfig ab und kommen Sie mit uns«, sagte ich. »Es muss nicht noch jemand verletzt werden.«
    »Da bin ich nicht so sicher«, widersprach Emma. »Falls Millard nicht durchkommt, werde ich mir das noch überlegen.«
    »Du willst mich töten?«, fragte Golan. »Na los, bring es hinter dich! Aber du schiebst das Unabänderliche nur hinaus. Ganz davon zu schweigen, dass du es für dich immer schlimmer machst. Wir wissen, wo wir dich finden. Unsere Leute werden kommen und nicht gerade zimperlich mit euch umgehen. Im Vergleich dazu ist die Verletzung deines Freundes ein Akt der Barmherzigkeit.«
    »Es
hinter uns bringen?
«, wiederholte Emma, und ihre Flammen sprühten Funken. »Wer behauptet, dass es schnell gehen wird?«
    »Ich habe euch gewarnt, dass ich die beiden töte!« Golan hielt den Käfig vor seine Brust.
    Emma ging einen Schritt auf ihn zu. »Ich bin achtundachtzig Jahre alt«, sagte sie. »Sehe ich so aus, als brauchte ich einen Babysitter?« Ihre Miene war eisern und undurchdringlich. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie lange wir uns schon danach gesehnt haben, endlich der Knute dieser Frau zu entkommen. Sie ahnen nicht, was für einen großen Gefallen Sie uns tun.«
    Golan blickte unsicher zwischen mir und Emma hin und her. Aber dann sagte er: »Du willst mich reinlegen.«
    Emma rieb die Hände aneinander und löste sie langsam wieder, so dass dazwischen eine feuerne Schlinge entstand. »Wir werden es sehen.«
    Ich war nicht sicher, wie weit Emma dieses Spiel treiben würde, aber ich musste einschreiten, bevor die Vögel in Flammen aufgingen oder in die Tiefe stürzten.
    »Erzählen Sie uns, was Sie mit den Ymbrynes vorhaben, vielleicht verschont Emma Sie dann«, sagte ich.
    »Wir werden nur zu Ende bringen, was

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