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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
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»Was ist das?«
    »Er steigt die Treppe hinauf.«
    »Ihr solltet ihm lieber nachgehen«, krächzte Millard. Überrascht sahen wir ihn an. Er war gegen die Wand gesackt.
    »Erst kümmern wir uns um dich. Wer von euch weiß, wie man einen Druckverband anlegt?«
    Bronwyn langte nach unten und zerriss ihr Hosenbein. »Ich«, sagte sie. »Ich stoppe die Blutung, ihr holt euch den Wight. Ich habe ihm ordentlich eine verpasst. Lasst ihm keine Chance, sich zu erholen.«
    Ich wandte mich Emma zu. »Bist du bereit?«
    »Falls das bedeutet, diesem Wight das Gesicht abzufackeln«, sagte sie, und zwischen ihren Händen loderten Flammen, »dann ja.«
    Emma und ich kletterten über die Schiffstür, die verbogen auf dem Podest lag, und betraten den Leuchtturm. Das Gebäude bestand aus einem schmalen, hohen Treppenhaus, in dem sich eine Wendeltreppe mehr als dreißig Meter in die Höhe schraubte. Wir hörten Golans Schritte auf den Stufen.
    »Kannst du ihn sehen?«, fragte ich und spähte die Treppe hinauf.
    Als Antwort kam eine Kugel, die neben mir von der Wand abprallte. Eine weitere schlug direkt vor mir in den Boden. Ich sprang zurück, und mein Herz hämmerte wie verrückt.
    »Hierher!«, rief Emma. Sie packte meinen Arm und zerrte mich zu der einzigen Stelle, die Golans Schüsse nicht erreichen konnten – auf die Treppe.
    Wir stiegen ein paar Stufen hinauf, und die Treppe schaukelte wie ein Boot auf den Wellen. »Ich habe Angst«, flüsterte Emma. Sie umklammerte das Geländer so fest, dass die Knöchel ihrer Hände weiß hervortraten. »Selbst wenn wir es bis oben schaffen und nicht vorher abstürzen, wird er uns erschießen!«
    »Wenn wir nicht nach oben können, schaffen wir es stattdessen vielleicht, ihn herunterzuholen.« Ich schaukelte vor und zurück, riss am Geländer und stampfte mit den Füßen. Tatsächlich begann die Treppe, gefährlich zu schwingen.
    »Und wenn das ganze Ding runterkommt?«, fragte Emma panisch.
    »Hoffentlich nicht!«
    Wir rüttelten noch stärker. Schrauben und Bolzen regneten herab. Ich hörte, dass Golan eine beeindruckende Sammlung von Flüchen ausstieß. Dann kam etwas die Treppe heruntergepoltert und landete auf dem Boden.
    Im ersten Moment dachte ich: O Gott, wenn das der Vogelkäfig war? Ich stürmte an Emma vorbei die wenigen Stufen hinunter.
    »Was tust du da?«, schrie Emma. »Er wird dich erschießen!«
    »Nein, wird er nicht«, antwortete ich und hielt triumphierend Golans Pistole hoch. Sie fühlte sich von den vielen abgefeuerten Schüssen warm an und wog schwer in meiner Hand. Ich wusste nicht, ob noch Kugeln darin waren, geschweige denn, wie ich das in dem Dämmerlicht überprüfen sollte. Ich stieg wieder zu Emma hoch.
    »Er sitzt da oben fest«, sagte ich. »Wir müssen es langsam angehen und vernünftig mit ihm reden. Wer weiß, was er sonst mit den Vögeln anstellt.«
    »Ich werde ihn ganz vernünftig dazu bringen, vom Turm zu springen«, stieß Emma zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
    Wir kletterten nach oben. Die Treppe schaukelte fürchterlich und war so schmal, dass wir nur hintereinander und nach vorn gebeugt gehen konnten, um uns nicht die Köpfe zu stoßen. Ich betete, dass keine der Schrauben, die wir gelöst hatten, etwas Wesentliches zusammengehalten hatte.
    Als wir fast oben waren, verlangsamten wir unser Tempo. Ich traute mich nicht, nach unten zu sehen. Es gab nur meine Füße auf den Stufen, meine Hand, die an dem schwankenden Geländer entlangrutschte, und meine andere Hand, die die Pistole hielt.
    Über uns war eine Öffnung, die wie eine Dachbodenluke auf die Plattform führte. Ich spürte die eisige Nachtluft und hörte den Wind pfeifen. Vorsichtig schob ich erst die Waffe durch die Öffnung, dann meinen Kopf. Ich rechnete mit einem Überraschungsangriff, aber es kam keiner.
    Golan war nirgendwo zu sehen. Hinter dem Kuppelglas drehte sich der riesige Scheinwerfer. Als er vorbeischwappte, musste ich die Augen schließen. Rings um die Plattform lief ein Geländer aus dünnen Metallstangen. Dahinter war Leere: zehn Stockwerke Luft über Felsen und brodelnder See.
    Ich stieg hinaus auf den schmalen Rundgang und drehte mich um, damit ich Emma die Hand reichen und ihr heraushelfen konnte. Dann standen wir mit dem Rücken an das warme Glas gepresst, unsere Vorderseite dem kalten Wind ausgesetzt. »Der Vogel ist ganz nahe«, flüsterte Emma. »Ich kann ihn spüren.«
    Sie schüttelte das Handgelenk, und eine wütende Flamme erwachte zum Leben. Farbe und

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