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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
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waren, sondern ein Kommandoturm und ein riesiges, drehbares Geschütz. Dieses Ding, auf dem wir standen, war kein Monster, Wal oder Wrack.
    »Das ist ein U-Boot!«, rief ich. Und es war nicht zufällig unter uns aufgetaucht. Golan musste auf dieses U-Boot gewartet haben.
    Emma war bereits auf den Beinen und lief über das wankende Boot auf den Käfig zu. Ich rappelte mich hoch. Doch als ich loslaufen wollte, schwappte eine Welle über das Deck und riss uns mit.
    Ich hörte einen Schrei, sah hoch und entdeckte einen Mann in grauer Uniform. Er schob sich aus der Luke im Kommandoturm und richtete eine Waffe auf uns.
    Kugeln hagelten auf uns nieder und prallten vom Deck ab. Der Käfig war zu weit fort, wir würden in Stücke gerissen sein, ehe wir ihn erreichten. Aber ich sah Emma an, dass sie es trotzdem versuchen würde. Ich rannte los, packte sie und riss sie mit mir ins Wasser. Die schwarze See schloss sich über uns. Kugeln sprenkelten das Wasser, zogen eine Spur Luftblasen hinter sich her.
    Als wir wieder auftauchten, hielt mich Emma fest und rief: »Warum hast du das getan? Ich hatte sie fast!«
    »Er hätte dich getötet«, sagte ich und befreite mich. Erst jetzt wurde mir klar, dass sie ihn gar nicht gesehen hatte. Ich zeigte an Deck, wo der Schütze auf den Käfig zuging. Er hob ihn hoch und schüttelte ihn. Die Tür war auf, und ich bildete mir ein, in dem Käfig eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Gerade verspürte ich neue Hoffnung, da fuhr der Lichtstrahl des Leuchtturms über das U-Boot. Ich sah das Gesicht des Schützen. Er hatte den Mund zu einem fiesen Grinsen verzogen, und seine ausdruckslosen Augen waren weiß. Er war ein Wight.
    Er langte in den Käfig und holte einen durchnässten Vogel heraus. Ein anderer Soldat pfiff ihm vom Kommandoturm aus zu, und der Wight lief mit dem Vogel zur Luke zurück.
    Das U-Boot begann zu brummen und zu zischen, und das Wasser um uns herum brodelte, als würde es kochen.
    »Schwimm, oder es zieht uns mit sich in die Tiefe!«, schrie ich Emma zu. Aber sie hörte mich nicht. Ihre Augen waren auf einen dunklen Fleck im Wasser nahe dem Heck gerichtet.
    Sie schwamm darauf zu. Ich versuchte, sie zurückzuhalten, aber sie stieß mich fort. Und dann hörte ich es, über das Heulen des U-Boots hinweg – ein hoher, schriller Schrei. Miss Peregrine!
    Wir fanden sie auf den Wellen schaukelnd. Sie versuchte verzweifelt, den Kopf über Wasser zu halten, und schlug mit einem der Flügel. Der andere schien gebrochen zu sein. Emma fischte sie aus dem Wasser.
    Mit der wenigen Kraft, die uns geblieben war, schwammen wir los. Hinter uns entstand ein Sog. Das vom abtauchenden U-Boot verdrängte Wasser schoss zurück, um den Leerraum zu füllen. Das Meer verschlang sich selbst und versuchte, auch uns zu verschlingen. Aber jetzt besaßen wir ein geflügeltes Symbol unseres Sieges, zumindest eines halben Sieges, und das gab uns die Kraft, gegen die unnatürliche Strömung anzukämpfen. Und dann hörten wir, dass Bronwyn unsere Namen rief. Unsere starke Freundin kam durch die Wellen gepflügt, um uns in Sicherheit zu bringen.
    * * *
    Wir lagen auf den Felsen unter dem aufklarenden Himmel, rangen nach Luft und zitterten vor Erschöpfung. Millard und Bronwyn stellten viele Fragen, aber uns fehlte der Atem, um sie zu beantworten. Sie hatten Golan vom Leuchtturm stürzen sehen, ebenso das Auf- und Abtauchen des U-Boots. Ihnen war auch nicht entgangen, dass wir zwar Miss Peregrine aus dem Wasser gefischt hatten, aber nicht Miss Avocet. Sie umarmten uns, bis wir aufhörten zu zittern, und Bronwyn stopfte die Headmistress unter ihr Hemd, um sie zu wärmen. Nachdem wir uns ein bisschen erholt hatten, kletterten wir in Emmas Ruderboot und legten ab.
    Als wir am Ufer ankamen, wateten uns die Kinder aufgeregt im seichten Wasser entgegen.
    »Wir haben Schüsse gehört!«
    »Was war das für ein sonderbares Boot?«
    »Wo ist Miss Peregrine?«
    Wir kletterten aus dem Ruderboot, und Bronwyn hob ihr Hemd, um den geborgenen Vogel zu zeigen. Die Kinder drängten sich um sie. Miss Peregrine hob den Schnabel und krächzte, um zu zeigen, dass sie zwar erschöpft, aber am Leben war. Alle jubelten.
    »Ihr habt es geschafft!«, rief Hugh.
    Olive führte einen Freudentanz auf und sang: »Der Vogel, der Vogel, der Vogel! Emma und Jacob haben den Vogel gerettet!«
    Unsere Feier war jedoch kurz. Die Abwesenheit von Miss Avocet wurde bald bemerkt, ebenso wie Millards alarmierender Zustand. Sein Druckverband saß fest,

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