Die Insel der besonderen Kinder
das hier sind die Männer. Sagt hallo, Jungs.«
»Hallo«, murmelten die Männer und nickten ihren Drinks zu.
Wir folgten Kev eine schmale Treppe hinauf zu den Zimmern, die bestenfalls als »einfach« bezeichnet werden konnten. Es gab zwei Schlafzimmer, von denen Dad sofort das größere für sich beanspruchte, und einen Raum, der als Küche, Ess- und Wohnzimmer diente. Will heißen: Es gab eine Kochplatte, einen Tisch und ein von Motten zerfressenes Sofa. Die Toilette funktionierte laut Kev meistens. »Aber wenn es doch mal klemmt, haben wir unseren Retter in der Not.« Er lenkte unsere Aufmerksamkeit auf eine transportable Toilettenkabine in der Gasse hinter dem Haus, die von meinem Schlafzimmerfenster aus gut zu sehen war.
»Ach, und dann brauchen Sie noch die hier«, sagte er und holte ein paar Petroleumlampen aus dem Schrank. »Die Generatoren gehen um zehn aus. Es ist verflucht teuer, Benzin mit dem Schiff rüberzubringen. Entweder gehen Sie früh schlafen, oder Sie freunden sich mit Kerzen und Petroleum an.« Er grinste. »Ich hoffe, das ist Ihnen nicht zu mittelalterlich.«
Wir versicherten Kev, dass Klohäuschen und Petroleum völlig in Ordnung seien, das höre sich doch witzig an – ein kleines Abenteuer, jawohl. Dann ging er mit uns wieder hinunter zur letzten Etappe unserer Führung. »Essen können Sie hier«, sagte er. »Und das werden Sie vermutlich auch tun, weil es die einzige Möglichkeit im Dorf ist. Falls Sie telefonieren möchten, haben wir da in der Ecke eine Telefonzelle. Manchmal stehen die Leute davor Schlange, da Handys auf der Insel so gut wie keinen Empfang haben und das hier der einzige Festnetzanschluss ist. Sie sehen, bei mir bekommen Sie alles – was zu essen, ein Bett zum Schlafen und ein Telefon!« Er lehnte sich zurück und lachte laut und anhaltend.
Das einzige Telefon auf der Insel.
Ich sah hinüber. Es war eine dieser Zellen, bei denen man die Tür zuziehen kann, um ein bisschen Privatsphäre zu haben, so wie bei diesen Dingern in alten Filmen. Mit zunehmendem Entsetzen dämmerte es mir.
Das
hier war das tobende Saufgelage, bei dem ich gelandet war, als ich vor ein paar Wochen auf der Insel anrief. Das hier war das Pissloch.
Kev reichte Dad die Schlüssel für unsere Zimmer. »Falls Sie Fragen haben«, sagte er, »wissen Sie ja, wo Sie mich finden.«
»Ich habe eine Frage«, sagte ich. »Was ist ein Piss – ich meine ein Priest Hole?«
Die Männer an der Bar brachen in lautstarkes Gelächter aus. »Na ja, das ist natürlich ein Loch für Priester!«, rief einer von ihnen, was eine weitere Lachsalve nach sich zog.
Kev ging zu ein paar unebenen Dielenbrettern neben dem offenen Kamin, wo ein räudiger Köter lag und schlief. »Sieh mal hier«, sagte er und tippte mit dem Schuh auf etwas, das aussah wie eine Klappe im Boden. »Vor langer Zeit, als es genügte, Katholik zu sein, um am nächsten Baum aufgeknüpft zu werden, haben Geistliche bei uns Zuflucht gesucht. Und wenn die Schlägertrupps von Königin Elizabeth auf der Suche nach ihnen aufkreuzten, haben wir jeden, der ein Versteck brauchte, in diese gemütlichen kleinen Löcher gesteckt – Priesterlöcher.« Mir fiel auf, dass er von
wir
sprach, als würde er die längst verstorbenen Beteiligten persönlich kennen.
»Bestimmt gemütlich!«, rief einer der Männer. »Jede Wette, dass es da unten schön warm und eng war!«
»Lieber warm und eng, als aufgeknüpft zu werden«, sagte ein anderer.
»Genau«, stimmte der erste Mann zu. »Auf Cairnholm – möge die Insel auf immer unser Fels und unsere Burg bleiben!«
»Auf Cairnholm!«, antworteten die anderen im Chor und prosteten sich zu.
Müde und erschöpft gingen mein Vater und ich früh schlafen. Besser gesagt, wir gingen früh ins Bett. Da lagen wir dann mit dem Kissen auf dem Kopf, um die dröhnende Katzenmusik zu dämpfen, die durch die Dielenbretter nach oben drang. Schließlich wurde es so laut, dass ich dachte, die Zecher wären in mein Zimmer eingedrungen. Doch dann musste die Uhr zehn geschlagen haben. Die summenden Generatoren draußen begannen zu stottern, und schließlich erstarb das Geräusch. Die Musik unten war ausgegangen. Ebenso die Straßenlaterne, deren Licht in mein Zimmer fiel. Plötzlich war ich umgeben von Stille und segensreicher Dunkelheit. Nur das entfernte Rauschen der Wellen erinnerte mich daran, wo ich war.
Zum ersten Mal seit Monaten fiel ich in einen tiefen Schlaf, der nicht von Alpträumen geplagt war. Stattdessen träumte
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