Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
Vom Netzwerk:
ich von meinem Großvater als Junge, von seiner ersten Nacht hier, ein Fremder in einem fremden Land, unter einem fremden Dach, sein Leben in der Hand von Menschen, die eine andere Sprache sprachen. Als ich aufwachte, schien die Sonne durchs Fenster. Mir war plötzlich klar geworden, dass Miss Peregrine nicht nur Großvaters Leben gerettet hatte, sondern auch das meines Vaters – und meines. Und mit ein bisschen Glück würde ich mich heute dafür bei ihr bedanken können.
    Ich ging hinunter, wo mein Vater bereits an einem Tisch saß, Kaffee schlürfte und sein schickes Fernglas putzte. Als ich mich zu ihm setzte, tauchte Kev mit zwei Tellern auf, die mit undefinierbarem Fleisch und gebratenem Toast beladen waren. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier gebratenen Toast bekomme«, sagte ich überrascht, woraufhin Kev erwiderte, dass er nichts kenne, was sich nicht durch Anbraten verbessern ließe.
    Während des Frühstücks schmiedeten Dad und ich Pläne für den Tag. Wir wollten die Insel erkunden, um uns mit ihr vertraut zu machen. Zuerst wollten wir uns Dads Vogelbeobachtungsplätze ansehen und danach das Kinderheim suchen. Ich konnte es kaum abwarten und verschlang hastig mein Essen.
    Bestens mit Fett versorgt, verließen wir den Pub und gingen durchs Dorf. Wir wichen den Traktoren aus und mussten uns über den Lärm der Generatoren hinweg schreiend verständigen, bis die Straßen den Feldern wichen und wir den Lärm hinter uns ließen. Es war ein frischer, stürmischer Tag. Die Sonne versteckte sich hinter breiten Wolkenbänken, um im nächsten Moment hervorzubrechen und die Hügel in strahlendes Licht zu tauchen. Ich fühlte mich tatendurstig und hoffnungsvoll. Wir hielten auf einen felsigen Strand zu, an dem Dad von der Fähre aus einen Schwarm Vögel entdeckt hatte. Mir war nicht klar, wie wir dort hinkommen wollten, da die felsigen Klippen uns den Zugang unmöglich machten. Aber an dieser Stelle waren die Felsen flacher, und ein Pfad führte zu einem schmalen Sandstreifen längs des Wassers.
    Wir stiegen zum Strand hinab, wo anscheinend eine ganze Vogelkolonie umherflatterte, kreischte und in den Gezeitentümpeln fischte. Dad gingen die Augen über. »Faszinierend«, murmelte er und kratzte mit der stumpfen Seite seines Stifts an versteinerter Vogelkacke herum. »Ich werde hier eine Weile brauchen. Ist das in Ordnung?«
    Ich hatte diesen Blick bei ihm früher schon gesehen und wusste, was »eine Weile« bedeutete: Stunden über Stunden. »Dann geh ich das Haus allein suchen«, sagte ich.
    »Nein, nicht allein. Du hast es versprochen.«
    »Dann suche ich mir jemanden, der mich hinbringt.«
    »Und wen?«
    »Kev wird jemanden kennen.«
    Mein Dad schaute aufs Meer hinaus, wo ein großer, rostiger Leuchtturm über einem Felsen aufragte.
    »Du weißt, was deine Mutter sagen würde, wenn sie hier wäre«, antwortete er.
    Meine Eltern vertraten unterschiedliche Theorien darüber, wie viel elterliche Fürsorge ich brauchte. Mom war die Behüterin und wich mir kaum von der Seite. Dad hielt sich eher zurück. Er fand es wichtig, dass ich ab und zu meine eigenen Fehler und Erfahrungen machte. Außerdem wusste er, wenn er mich gehen ließ, konnte er in Ruhe den ganzen Tag mit Vogelkacke spielen.
    »Also gut«, sagte er. »Aber du lässt mir die Nummer von demjenigen da, mit dem du losziehst.«
    »Dad, hier ist kein Handyempfang.«
    Er seufzte. »Richtig. Nun ja, solange derjenige vertrauenswürdig ist …«
    * * *
    Kev war unterwegs, um Besorgungen zu machen. Einen seiner betrunkenen Stammgäste zu fragen, ob er meine Anstandsdame spielen wollte, schien mir keine gute Idee zu sein. Also ging ich zum nächsten Laden, um jemanden zu fragen, der zumindest einer geregelten Arbeit nachging. Über der Tür stand
FISCHGESCHÄFT
.
    Ich stieß die Tür auf und stand unvermittelt vor einem bärtigen Riesen mit blutgetränkter Schürze. Er unterbrach das Köpfen der Fische und starrte mich mit dem tropfenden Hackebeil in der Hand an. Ich schwor mir, nie wieder schlecht von Betrunkenen zu denken.
    »Warum, zur Hölle?«, knurrte er, nachdem ich ihm gesagt hatte, wo ich hinwollte. »Da drüben gibt es nichts als Moor und Nebel.«
    Ich erzählte ihm von Großvater und dem Kinderheim. Er sah mich stirnrunzelnd an. Dann beugte er sich über die Theke und warf einen skeptischen Blick auf meine Schuhe.
    »Dylan hat eh nichts zu tun, er wird dich hinbringen«, sagte er und zeigte mit dem Hackebeil auf einen Jungen in meinem Alter, der

Weitere Kostenlose Bücher