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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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den Norden gehen sollen?«
    Henri schüttelte den Kopf und legte den Braten zur Seite. Dann sagte er: »Fragt mich nie wieder danach!«
    Er stand auf, verschwand kurz in der Hütte und kam mit Wasserkrug und Arkebuse zurück.
    »Kannst du nicht wenigstens heute bei uns bleiben?«, flehte Marguerite.
    »Glaubt mir, es ist besser, wir kommen so schnell wie möglich von dieser Insel weg«, sagte er.
    »Nimm wenigstens den Umhang mit!«
    »Du brauchst ihn nötiger als ich, du - und unser Sohn.«
    Damienne brauchte drei Tage, um das neue Elchfell so weit zu säubern und zu trocknen, daß sie es zu einem weiteren Umhang verarbeiten konnte. Dann erst war Henri bereit, es überzuziehen.
    Im Oktober wurde das Wetter immer schlechter. Es regnete oft und war empfindlich kalt. Da ihre Büchsen im Regen nutzlos waren, konnten sie nur selten zur Jagd gehen. Henri bestand immer noch darauf, daß sie nicht in den Norden gingen.
    Sie schossen einen weiteren Elch am Mückensee, aber ansonsten jagten sie mehr im Süden, wo sie immer wieder auf Dämonenhühner stießen.
    Am Anfang war die Jagd nicht einfach. Für eine Waffe mit glattem Lauf ist ein fliegender Vogel ein schwieriges Ziel, aber dann zerteilte Henri einige Bleikugeln in vier gleich große Teile, und so verfügten sie über eine Art Vogelschrot, was ihre Jagderfolge häufiger werden ließ. Ansonsten stand meist Lachs auf der Speisekarte, gelegentlich auch Krebse, die sie in der Abenddämmerung in der Salzbucht fingen. Aber obwohl der Tisch reichlich gedeckt war, schien Henri zunehmend abzumagern - »weniger zu werden«, wie Damienne sagte. Er aß nur, wenn man ihn dazu nötigte, lachte nie und schien jede Freude am Leben verloren zu haben.
    Marguerite hingegen ging es körperlich endlich besser. Sie hatte nun einen sichtlichen Schwangerschaftsbauch. Ihr war jetzt nicht mehr jeden Morgen übel. Wenn sie sich nur nicht so viel Sorgen um Henri machen müßte!
    »Henri?«, fragte Marguerite, als sie eines Tages von erfolgreicher Jagd heimkehrten.
    »Ja?«
    »Was machen wir eigentlich, wenn uns die Bleikugeln ausgehen?«
    »Sie werden noch eine Weile reichen.«
    »Wie lange?«
    »Vielleicht noch ein halbes Jahr, vielleicht sogar ein ganzes, wenn wir weiter so sparsam damit umgehen.«
    »Und dann?«
    »So weit wird es nicht kommen. Wir werden lange vorher gerettet sein - oder tot.«
    »Henri! So etwas darfst du nicht sagen!«
    Aber er hatte es bereits gesagt, und das war es, was Marguerite ängstigte. Er war zwar jeden Tag auf seinem Posten und hielt Ausschau, aber er schien selbst nicht mehr an Rettung zu glauben. Sie versuchte noch zweimal, ihn zu fragen, was er im Norden gesehen hatte, doch er wurde dann stets so böse mit ihr, daß sie es nicht ein drittes Mal wagte.
    Der ganze Oktober war naß und kalt und hatte wenig gemein mit dem goldenen Herbst, den Marguerite aus der Heimat kannte. Aber das war nichts gegen den November, der mit Schnee und bitterkalten Winden über die Insel kam. Wenn es nicht schneite, regnete es, und wenn es weder regnete noch schneite, dann ging Sturm über sie hinweg. Ihre Salinen in der Salzbucht wurden mehr als einmal zerstört, und es war gut, daß sie zuvor genug Salz gesammelt hatten, um über den Winter zu kommen - so dachten sie zumindest.
    Ihre Laubhütte war schon im Oktober auseinandergefallen; der November verwandelte sie endgültig in eine Ruine. Auch ihr neues Zuhause hatte einiges auszuhalten, doch sie hatten den
    Standort gut gewählt - der Hügel, in den sie sich eingegraben hatten, hielt die schlimmsten Winde ab. Henri ließ sich von dem schlechten Wetter jedoch nicht daran hindern, weiterhin auf seinen Ausguck zu klettern, ohne je mehr zu sehen als Eisberge, die an der Insel vorübertrieben. Da das Wetter so schlecht war, wurde es schwierig mit der Jagd.
    »Wenn das mit dem Schnee und dem Regen so weitergeht, reicht unsere Munition noch für zehn Jahre«, sagte Marguerite eines Abends, als der Regen wieder einmal kein Ende nehmen wollte.
    Es hatte - und sie zählten es nach - nur vier trockene Tage in diesem Monat gegeben. Viermal waren Henri und Marguerite auf der Jagd gewesen, aber nur einmal hatten sie Erfolg gehabt. Also gab es nur getrocknetes Fleisch, Krebse, Fisch und - zur Abwechslung - geräucherten Fisch. Damienne hatte auch noch kleine Vorräte an Wurzeln und sogar Mehl von dem wilden Weizen angelegt, aber das gab es nur an Sonntagen.
    Obwohl das Wetter so unglaublich schlecht war, daß selbst Damienne keine Vergleiche

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