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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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schlief weiter tief und fest. Vorsichtig traten Marguerite und Henri vor die Hütte. Im Schein der Fackel fanden sie die Falle und darin das seltsame Tier, das mit dem Schwanz klettern konnte. Wütend fauchte es sie an. Sie betrachteten es staunend. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Es war so groß wie eine Katze, hatte aber den Kopf einer Ratte. Henri hob den Speer, um ihm den Garaus zu machen - da fiel das Tier plötzlich wie tot zur Seite. Es lag völlig still und die Zunge hing ihm aus dem Maul.
    »Was ist passiert?«, fragte Marguerite verblüfft.
    »Es scheint tot zu sein«, staunte Henri. Er stieß das Tier leicht mit dem Speer an, aber es rührte sich nicht.
    »Haben wir es zu Tode erschreckt?«, fragte Marguerite, der der kleine Räuber plötzlich leid tat.
    »Man möchte es glauben«, sagte Henri. Er nahm die Steine von der Falle und hob die Reuse an.
    Plötzlich sprang das Tier auf, fauchte und rannte davon.
    Verblüfft starrten Henri und Marguerite hinterher. Dieses sonderbare Vieh hatte sie überlistet! Sie achteten jetzt noch mehr darauf, ihre Vorräte gut zu sichern.
    Im September tauchten die ersten Lachse im Bach auf. Wie seit Generationen waren sie auf dem Weg zu ihren uralten Laichgründen. Dieses Mal war der Weg allerdings gefährlicher als sonst, denn ihnen lauerten drei unermüdliche Jäger auf: Jäger, die jetzt eine Räucherkammer besaßen und darauf erpicht waren, Vorräte für die kommenden Wochen anzulegen.
    »Ich weiß, hier ist jemand der Meinung, daß wir die nicht brauchen, aber sicher ist sicher«, sagte Damienne, die es immer noch vermied, mehr als unbedingt nötig mit Henri zu reden. Und Henri widersprach nicht. Er war immer noch schnell mit dem Speer und traf besser als die beiden Frauen, aber er wirkte seltsam unbeteiligt bei allem, was er tat.
    Marguerite sprach so oft wie möglich mit ihm, aber er antwortete meist einsilbig und verschwand so bald wie möglich wieder auf seinen Ausguck.
    »Warum bleibst du nicht bei uns, wir könnten deine Hilfe gut gebrauchen«, sagte Marguerite einmal, als er wieder zum Hügel aufbrechen wollte.
    »Ich will nicht, daß mein Sohn auf einer wilden Insel zur Welt kommt. Deshalb halte ich Ausschau nach Rettung.«
    Bislang hatte Marguerite nie etwas gesagt, wenn Henri von »seinem Sohn« sprach, aber dieses Mal widersprach sie: »Woher willst du so genau wissen, daß unser Kind ein Junge und kein Mädchen wird?«
    Henri starrte sie für einen Augenblick an, als hätte sie gesagt, daß sie mit einem Dämon schwanger sei. Dann schüttelte er unwillig den Kopf. »Ist doch auch egal.« Er machte kehrt und ging davon.
    An diesem Abend war Marguerite niedergeschlagen und müde und hatte nur wenig Appetit. Sie aßen zu zweit. Henri war noch nicht von seinem Posten zurückgekehrt.
    »Du mußt mehr essen, Lämmchen«, mahnte Damienne, »wenn schon nicht für dich, dann wenigstens für dein Kind. Und sieh nur, was für ein Festessen wir haben: Lachs, Wurzelgemüse und Inselbrot! Ich kann mir nicht vorstellen, daß dein Onkel, der Vizekönig, heute besser speist!«
    Marguerite starrte sie an. Sie sprachen nie über ihren Onkel, sie erwähnten ihn nicht einmal, und sie hatte es geschafft, lange, sehr lange nicht an ihn zu denken.
    Jean-Frangois de La Roque Sieur de Roberval hatte sein Ziel erreicht. Zumindest hatte er den Grundstein für seine Kolonie legen können und war nun offiziell Vizekönig dieses Landes. Das Problem war, daß sich die Wilden draußen in den Wäldern nicht um ihn scherten. Sie beobachteten alles, was er tat, mit einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Mißtrauen. Es war noch nicht zu offenen Feindseligkeiten gekommen, aber der eine oder andere Mann, der in die Wälder gegangen war, um zu jagen, war spurlos verschwunden. Vermutlich waren sie nicht ausnahmslos Bären zum Opfer gefallen.
    De Roberval hatte für den Fall eines Krieges Vorsorge getroffen. Auf einer Anhöhe, da wo der Cap-Rouge-Fluß in den Saint-Laurent-Strom mündete, hatte er ein massives Blockhaus errichten lassen, mit starken Türmen und Schießscharten, und alle Siedler, Seeleute, Offiziere, Sträflinge und Frauen lebten unter diesem einen Dach.
    Das Zusammenleben gestaltete sich schwierig - de Roberval trieb alle seine Untergebenen zu endloser Arbeit an, die Nahrung war knapp und die Eingeborenen blieben feindselig. Bis jetzt hatten sie auch weder Gold noch Diamanten gefunden. Die Nerven lagen bald blank. Aufkeimenden Aufruhr hatte er mit der Hinrichtung von sechs

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