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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Marguerite unterhielt vor der Hütte ein Feuer, und sie weigerte sich, schlafen zu gehen, solange Henri nicht wiedergekehrt war. Damienne teilte ihre Sorge, meinte aber, es würde Henri sicher nicht helfen, wenn sie am nächsten Tag beide übermüdet seien, und legte sich hin.
    Marguerite blieb allein am Feuer und horchte auf die nächtlichen Geräusche. Die Stimme war wieder da, wie fast jede Nacht. Inzwischen war Marguerite klar, daß die Stimme auch tagsüber nicht verstummte, daß sie wegen der vielen Vögel, vor allem des Kreischens der Möwen, nur einfach nicht zu hören war. Nachts hingegen war es ruhiger auf der Insel und dann war die Stimme allgegenwärtig.
    Marguerite lief ein Schauer über den Rücken. Es gab Abende, da schaffte sie es, die Stimme nicht zu beachten, ja, manchmal schien es fast, als könne sie sich daran gewöhnen. In dieser Nacht war ihr dies jedoch nicht möglich. Sie hörte den Wald rauschen, und es war ihr, als würde von fern ein Tier rufen, nur die Schritte, auf die sie wartete, hörte sie nicht. Sie nickte das eine oder andere Mal am Feuer ein, aber immer wenn ihr das Kinn auf die Brust gesunken und die Augen zugefallen waren, schreckte sie wieder hoch.
    Sie ging auf und ab, um nicht wieder einzuschlafen. Dann setzte sie sich wieder und legte Feuerholz nach. Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Wand der Hütte und starrte zu den Sternen hinauf. Sie wirkten so schön und gleichzeitig auch so fern und unbeteiligt.
    Die Stimme sang sie schließlich doch in den Schlaf.
    Mitten in der Nacht schreckte sie hoch. Für einen Moment wußte sie nicht, wo sie war, aber sie hörte Schritte im Dunkeln. Das Feuer war fast niedergebrannt und die schwache Glut vermochte die Nacht kaum zu erhellen. Sie schob ein Stück Holz hinein und die Flamme loderte kurz auf.
    Henri trat in den Lichtkreis und warf stumm ein Bündel auf die Erde. Marguerite erkannte, daß es mindestens zwei große Felle waren, und dem Geräusch des Aufpralls nach war noch etwas Schweres darin eingepackt, vermutlich Fleisch.
    Sie hätte ihn gerne umarmt, aber irgend etwas hielt sie davon ab - es war der Ausdruck in seinem Gesicht. Er schien um Jahre gealtert. Er sah sie an, aber es war, als würde er durch sie hindurchsehen, so als stünde noch etwas anderes, etwas Schreckliches, vor seinem Auge.
    »Was ist mit dir, Liebster?«
    Henri setzte sich ans Feuer und starrte hinein.
    »Wir sollten nicht wieder in den Norden gehen«, sagte er, stand unvermittelt auf und ging ohne ein weiteres Wort in die Hütte hinein.
    Marguerite war verwirrt und verängstigt. Sie folgte ihm. Als sie nebeneinanderlagen, schmiegte sie sich an ihn. Sein Körper war ganz ausgekühlt. Erst jetzt fiel ihr auf, daß Henri keinen Fellüberwurf getragen hatte, sondern nur in seiner Sommerkleidung unterwegs gewesen war. Sie versuchte, ihn zu wärmen, und legte wie früher ihren Kopf auf seine Brust. Sein Atem klang gepreßt. Draußen wurde es allmählich heller.
    »Was hast du gesehen, Liebster?«
    »Nichts, Marguerite, ich habe gar nichts gesehen.« Er drehte sich auf die Seite und wandte ihr den Rücken zu.
    Marguerite ließ sich nicht so leicht zurückweisen. Sie legte sich dicht an ihn und strich mit der Hand sanft durch sein Haar. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte, und hoffte, daß er von sich aus erzählen würde. Doch Henri schwieg.
    Dann brach der neue Tag an. Damienne hatte im Halbschlaf mitbekommen, wann Marguerite und Henri zu Bett gegangen waren, und ließ sie schlafen. Sie trat vor die Tür und reckte sich. Es war ein kühler Morgen und Nebel lag über der Wiese.
    Na, was hat uns denn der Herr Leutnant Schönes mitgebracht, sagte sie zu sich selbst, als sie das Fellbündel bei der Feuerstelle liegen sah. Sie hob es an und setzte es gleich wieder ab. Es war viel schwerer, als sie gedacht hatte. Sie öffnete es und fand zu ihrem Erstaunen, in das Elchfell eingeschlagen, den Pelz eines Bären und etliche Pfund Bärenfleisch. Sie pfiff anerkennend. »Sieh mal an, er hat einen Bären erlegt, ganz allein. Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut«, murmelte sie. Sie breitete den Pelz aus. Er war nicht ganz so groß wie der andere, aber dennoch: Sie war beeindruckt.
    »Keine üble Leistung, Herr Leutnant«, sagte sie, als sie später beim Mittagessen saßen. Henri aß frisch gebratene Bärentatze und schien das Kompliment gar nicht zu hören.
    »Ist es wegen der Bären?«, fragte Marguerite. »Gibt es dort noch mehr? Ist das der Grund, warum wir nicht in

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