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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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mehr einfielen, ließ Henri sich nicht davon abbringen, weiterhin jede freie Minute auf seinem Posten zu verbringen. Nur wenn der Sturm zu heftig wurde, blieb er in der warmen und sicheren Hütte. Dann war er mürrisch und schweigsam und beteiligte sich nicht an den Gesprächen der beiden Frauen. Damienne und Marguerite sprachen an diesen Sturmtagen viel, sie redeten über alte Zeiten, das Château de Roberval oder das Wetter, sie fanden immer etwas, worüber es sich zu unterhalten lohnte, vor allem über Schwangerschaften. Damienne verfügte über eine unerschöpfliche Schatzkiste von lehrreichen Geschichten über das Kinderkriegen und all die Dramen und glücklichen Wendungen, die sich dabei ereignen konnten. Sie konnte so viele immer völlig anders verlaufende Schwangerschaften und Geburten aus ihrem Bekanntenkreis schildern, daß Marguerite irgendwann der Verdacht beschlich, man müsse eigentlich nur an Damienne vorübergehen, um schwanger zu werden.
    Henri schien sich bei diesen Erzählungen unwohl zu fühlen. Wenn dann der Sturm nur eine Winzigkeit nachließ, war er sofort wieder auf dem Weg zum Gipfel.
    »Männer«, grinste Damienne dann, und Marguerite lächelte schwach, doch in Wahrheit machte sie sich immer größere Sorgen um Henri, und sie fragte sich, ob Damienne nicht bemerkte, wie schlecht es ihm ging.
    Ende November wurde Henri krank. Das Wetter hatte sich gerade beruhigt und es war sogar wieder ein wenig wärmer geworden. Es gab an diesem Tag nur einen leichten, sanften Nieselregen, eine Erholung, nachdem es tagelang geschüttet hatte wie aus Eimern. Schon morgens sah Henri blaß aus. Als er gegen Abend von seinem Hügel zurückkehrte - früher als gewöhnlich -, hatte er leichtes Fieber.
    Die beiden Frauen steckten ihn sofort ins Bett, packten ihn in das Bärenfell, und Damienne zauberte eine nahrhafte Suppe aus Wurzeln, die sie in den Branntweinkrug füllte. Henri trank ein paar Schlucke, aber wohl nicht genug, denn am nächsten Morgen hatte er Husten und das Fieber stieg. Seine Augen glänzten fiebrig und seine Stirn glühte förmlich. Es gab nicht viel, was sie tun konnten. Damienne kochte Suppe und Marguerite saß bei ihm. Als er Schüttelfrost bekam, legte sie sich zu ihm ins Bett, um ihn zu wärmen.
    »Wenn Doktor d’Athies hier wäre, könnten wir Euch zur Ader lassen, Herr Leutnant, aber ob das helfen würde? Was meint Ihr?«, scherzte Damienne. Es war ein rauher und unbeholfener Scherz und Henri lächelte nicht einmal darüber. Er schlief viel, aber nicht gut. Es schien Marguerite, als würde er von Alpträumen gequält.
    »Was hat er nur, Damienne?«, fragte Marguerite, als er wieder einmal eingeschlafen war.
    »Die Erschöpfung, nehme ich an, dazu eine Erkältung, kein Wunder bei dem Wetter, aber eigentlich nichts, womit ein Mann nicht fertig werden könnte.«
    »Was meinst du mit >eigentlich    Damienne seufzte, dann sah sie Marguerite ernst in die Augen: »Ich fürchte, er hat den Lebenswillen verloren, mein Kind, und wenn wir es nicht schaffen, ihm den zurückzugeben, dann wird er nicht wieder gesund.«
    »Du meinst, er .« Sie konnte es nicht aussprechen.
    »So weit ist es noch lange nicht! Es wäre doch gelacht, wenn wir ihn nicht wieder auf die Beine bekämen! Ich mache ihm Suppe, und du erzählst ihm etwas Schönes. Erzähl ihm von eurem Kind. Etwas, worauf er sich freuen kann.«
    Marguerite kroch wieder zu dem fiebernden Henri unter die Decke. Er fror und war gleichzeitig naß geschwitzt. Sie wußte nicht, ob er sie hörte, aber sie erzählte ihm, was immer ihr einfiel: wie es mit ihnen beiden angefangen hatte - die Hühner auf dem Markt, der geraubte Kuß in der Kirche - und wie ihn der Onkel beinahe von der Mauer geschossen hätte in jener einen Nacht in Saint- Malo. Sie erinnerte ihn an die lange Überfahrt und daran, wie sie sich im Lagerraum auf Säcken voller Saatgut geliebt hatten.
    »Saatgut, kannst du dir das noch vorstellen? Was wir heute für einen einzigen Sack guten Getreides geben würden!«
    Aber Henri reagierte nicht. Also erzählte sie von ihrem ungeborenen Kind, das sicher ein Sohn werden würde, und sie fragte ihn, wie sie ihn denn nennen wollten. Da schlug Henri das erste Mal die Augen auf und sah sie an. Dann flüsterte er: »Nenn ihn nicht nach mir.«
    Mehr sagte er an diesem Tag nicht.
    Es folgten zwei weitere Tage, die er in Fieberträumen zubrachte, und sie konnten sehen, wie er von der Krankheit verzehrt wurde.
    Marguerite wich nicht mehr von seiner

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