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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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sie einen wohlhabenden Fischhändler ehelichte - mit Liebe hatte das nichts zu tun. Es hatte da allerdings einen anderen gegeben, vorher, Pierre, einen jungen Fischer, ebenso arm wie sie. In ihn war sie ein wenig verliebt gewesen, aber bevor etwas Ernstes daraus werden konnte, war er zu den Soldaten gegangen und nicht wieder aus dem Krieg heimgekommen. Damienne seufzte. Dann sagte sie: »Ach, mein Kind, der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. Auf ihn solltest du vertrauen und beten. Dann wirst du Trost finden.«
    Sie gruben den ganzen nächsten Morgen und Mittag, bis sie entschieden, daß es reichte.
    »Es ist nicht so tief wie in der Heimat üblich«, sagte Damienne, »aber wir sind nun einmal nicht in Frankreich, und ich nehme an, der Herr wird es uns verzeihen. Es ist ja nur die sterbliche Hülle. Seine Seele ist längst an einem anderen Ort.«
    Gegen Abend setzten sie Henri bei. Marguerite konnte nichts sagen und Damienne wollte nicht. Also legten sie ihn schweigend in die flache Grube. Marguerite legte ihm ein paar Tannenzweige und eine Ranke immergrünen wilden Efeus auf die Brust. Sie standen noch einen Moment am Fuß des Grabes, dann räusperte sich Damienne: »Der Herr sei seiner armen Seele gnädig«, sagte sie und verstummte.
    Und dann brach Marguerite weinend zusammen. Damienne hatte alle Mühe, sie vom Grab weg und in die Hütte zu bringen. Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als das Grab alleine zu schließen. Da sie nicht einmal die Möglichkeit gehabt hatten, Henri in eine Decke zu wickeln, fiel die Erde einfach auf seinen Körper und auf sein bleiches Gesicht. Damienne brachte es fast nicht übers Herz. Als sie das Grab endlich geschlossen hatte, war es vollkommen finster geworden. Sie steckte behutsam das schlichte Holzkreuz, das sie gefertigt hatten, am Kopf des Grabes in die Erde.
    Es begann zu regnen.
    »Ich möchte einmal eine Beerdigung erleben, bei der es nicht regnet«, brummte sie auf dem Weg zurück zur Hütte. Dann blieb sie stehen, weil ihr bewußt wurde, was sie gesagt hatte. Sie blickte in den schwarzen Nachthimmel: »Herr«, sagte sie, »ich will überhaupt keine Beerdigungen mehr erleben, nicht in nächster Zeit und überhaupt nie wieder, damit wir uns verstehen.«
    Aber als einzige Antwort klatschte ihr noch stärkerer Regen ins Gesicht.
    »Nun ja«, murmelte sie verdrossen, »dem Gerechten regnet’s ins Grab, sagt man.«

Das Tor zur Hölle
     
    Marguerite hätte sich gerne in eine Ecke verkrochen und wäre am liebsten nie wieder daraus hervorgekommen, aber Damienne ließ es nicht zu. »Was denkst du dir denn, Kind? Daß ich jetzt die ganze Arbeit alleine mache? Nichts da! Los, nimm dir den Eimer und hol uns frisches Wasser.«
    Marguerite war empört. Nahm Damienne denn überhaupt keine Rücksicht auf ihre Gefühle? War sie so herzlos?
    Das war sie natürlich nicht, aber Marguerite brauchte einige Zeit, um das zu verstehen. Damienne lenkte sie von ihrer Trauer ab, sie trieb sie zur Arbeit und sie zwang sie zu essen: »Wir sind ja immer noch zu dritt, wenn man dein Kind mitzählt. Die Arbeit ist nicht weniger geworden, aber es sind nur noch zwei da, die sie erledigen können. Also lieg mir bloß nicht auf der faulen Haut! Wir brauchen noch Holz für den Herd - und wehe, du ißt heute wieder nichts!«
    Der Dezember zeigte sich unbeständig und launisch. Es schneite fast ebenso oft, wie es regnete, und nachts herrschte Frost, aber die Tage waren überraschend mild und frostfrei. Es war eine schwere Zeit für Marguerite, denn ohne Henri erschien ihr das Leben sinnlos, und wenn der Gedanke an ihr Kind nicht gewesen wäre, hätte die Trauer sie wohl umgebracht.
    Die Schwangerschaft schritt voran, und das Kind in ihr war inzwischen so groß, daß sie nicht mehr auf dem Bauch liegen konnte. Damienne ließ ihr trotzdem kaum einen Moment Ruhe und hielt sie in Bewegung. Das hatte den Vorteil, daß sie abends erschöpft einschlief und sich nicht in endlos kreisenden Gedanken der Trauer verlor.
    Aber alles, was sie tat, fiel ihr schwer, und zu jeder kleinen Tätigkeit mußte sie sich überwinden.
    Dann kam Weihnachten. Die Tage waren kurz und dunkel und Schwermut lag über dem Tal. Sie hatten nicht einmal einen richtigen Festbraten, denn das Wetter war wieder zu schlecht für die Jagd. Irgendwie schaffte es Damienne dann doch, mit frischem Fisch, dem letzten Inselbrot und sogar einigen getrockneten Beeren zum Nachtisch so etwas wie ein Weihnachtsmahl zu zaubern.
    »Beeren? Wo

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