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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Männern erstickt. Danach war Ruhe eingekehrt . bis jetzt. Denn jetzt war Kapitän de Sauveterre angeklagt, im Streit einen Matrosen getötet zu haben. Jeden anderen hätte er dafür hängen lassen, aber de Sauveterre war einer der wenigen Männer, denen er noch vertraute. Wenn er ihn aber begnadigte, geriet sein System der erbarmungslosen Strenge womöglich ins Wanken. Aber dann sollte es ebenso sein.
    Er unterzeichnete die Begnadigung, die vor ihm lag. Er brauchte vertrauenswürdige Leute, vor allem wenn sie das Gold und die Diamanten finden wollten, die Cartier ihnen gezeigt hatte. Sie hatten immer noch keine Spur der gesuchten Schätze gefunden, denn Cartier, den de Roberval täglich aufs Neue verfluchte, hatte ihnen keinerlei Hinweis gegeben, wo er seine wertvollen Funde gemacht hatte.
    Von all diesen Vorgängen wußte Marguerite natürlich nichts. Es war Mitte September und der nahende Herbst schickte kühle Nächte voraus.
    »Wenn Kapitän de Xaintonge nicht bald kommt, müssen wir uns Gedanken über wärmere Kleidung machen, Damienne«, sagte Marguerite eines Morgens beim Frühstück.
    »Er wird nicht kommen«, sagte Henri ganz ruhig.
    »Warum sagst du so etwas?«, rief Marguerite erschrocken.
    »Weil es die Wahrheit ist«, erwiderte Henri bitter. »Könnt ihr denn nicht rechnen? Er müßte doch schon längst hier sein! Drei
    Wochen sollte er nach Süden segeln, dann zurück, macht sechs. Nehmen wir an, er wurde aufgehalten und die Winde standen nicht günstig, so müßte er nach sieben, spätestens aber acht Wochen bei deinem Onkel eintreffen. Nehmen wir eine weitere Woche, die er braucht, um die Vorräte aufzufrischen und Kurs hierher zu setzen, dann sind wir bei neun, sagen wir, es passiert noch etwas Unvorhergesehenes, so kommen wir auf zehn Wochen. Und wie lange sind wir auf der Insel? Fast fünfzehn Wochen! Er wird nicht mehr kommen, Marguerite. Vielleicht ist er tot, vielleicht weiß er nicht, daß wir hier sind, vielleicht interessiert ihn unser Schicksal nicht. Er wird nicht kommen. Niemand wird kommen, um uns zu retten!«
    »Aber Henri, du gehst doch selbst jeden Tag auf den Hügel, um nach ihm Ausschau zu halten!«
    »Nein, ich halte Ausschau nach einem Fischerboot oder vielleicht einem Walfänger, der sich in diese verfluchten Gewässer verirrt! Das ist unsere Hoffnung: daß sich jemand verirrt!«
    Ende September setzte der Herbst richtig ein. Das ruhige Spätsommerwetter, das Marguerite aus Frankreich kannte, gab es auf der Insel offenbar überhaupt nicht. Es wurde schlagartig kälter und naß.
    Damienne war erfindungsreich: Sie verarbeitete die beiden Elchfelle zu warmen Überwürfen, indem sie einfach in der Mitte ein Loch für den Kopf hineinschnitt. Das war an den Seiten etwas luftig, aber wenn man den Überwurf mit einem Gürtel über der Hüfte zusammenschnürte, war es beinahe perfekt. Allerdings hatten sie nur zwei Felle, denn das Bärenfell mußte in den kalten Nächten als Bettdecke dienen. Also sollten Marguerite und Henri wieder auf die Jagd gehen. Marguerite war inzwischen schon deutlich runder geworden, der Bauchansatz war unübersehbar.
    »Wird es dem Kind nicht schaden, wenn ich schieße?«, fragte sie Damienne, kurz bevor sie aufbrachen.
    »Es wird ihm sicher mehr schaden, wenn du erfrierst!«, erwiderte die Normannin trocken.
    Marguerite und Henri wandten sich nach Norden, in Richtung der Elchfelsen, aber sie hatten zunächst kein Glück. Sie legten sich bei den Felsen auf die Lauer und warteten. Marguerite hätte die Zeit gern genutzt, um mit Henri zu reden, aber er bedeutete ihr zu schweigen, um das Wild nicht zu verscheuchen. Trotzdem kamen keine Elche zum Vorschein und sie kehrten unverrichteter Dinge wieder zurück.
    »Wir müssen weiter in den Norden«, sagte Marguerite, als sie auf dem Heimweg waren.
    »Aber wir wissen nicht, was uns dort erwartet«, sagte Henri.
    Sie dachten beide an die unheimlichen Stimmen, die sie jenseits der Elchfelsen einmal gehört hatten. Dennoch sagte Marguerite: »Dann wird es Zeit, daß wir es herausfinden.«
    Henri widersprach nicht.
    Als Marguerite am nächsten Morgen erwachte, war Henri verschwunden - und mit ihm zwei der drei Arkebusen. Sie war sofort in Sorge.
    »Er ist Soldat, er kann auf sich aufpassen«, sagte Damienne, um Marguerite zu beruhigen. Aber Marguerite schloß daraus nur, daß auch sie sich Sorgen machte, denn sie sagte sonst nie etwas Nettes über Henri.
    Es wurde Nachmittag, es wurde Abend, aber Henri blieb verschwunden.

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