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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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ein Schatten auf den Tag gefallen war. Mit einem Mal sah sie den ganzen Saal, die ganze festliche Ernennung mit anderen Augen. Es lag etwas in der Luft, eine spürbare Spannung. Sie ahnte plötzlich, daß in diesem festlich geschmückten Saal sehr gefährliche Mächte versammelt waren, daß der König mit seinen freundlichen, fast scherzhaften Worten einen Kampf angezettelt hatte, dessen Ausgang ungewiß war. Sie sah den Botschafter Spaniens und den Nuntius des Papstes, und sie erkannte, daß François, König von Frankreich, soeben die stärksten Mächte der Erde herausgefordert hatte.
    Ihr wurde flau im Magen - war sie nicht auch Teil dieser Herausforderung?
    Sie spürte einen Stoß in den Rippen. »Was ist los? Wird dir schlecht?« Damienne sah sie scharf an und zischte: »Reiß dich zusammen! Wie würde es aussehen, wenn du hier vor allen Leuten umfielest?«
    »Ihr seht wirklich blaß aus, Mademoiselle«, sagte die Lanctot.
    Marguerite versuchte, die dunklen Gedanken zu verscheuchen, und lächelte schwach. »Es ist nichts, nur die Luft hier drinnen.«
    »Ich sag ja, hier zieht’s. Und jetzt still, ich will den König hören!«
    Erschrocken stellte Marguerite fest, daß sie nicht aufgepaßt hatte. Wie ungehörig, der Rede des Königs nicht zuzuhören!
    »Ihm zur Seite stellen wir als Generalkapitän Jacques Cartier, den wir erneut nach Westen senden, nach Kanada und Hochelaga, wie diese Küste Asiens genannt wird, und zu allen Ländern westlich davon«, erklärte der König soeben und lächelte dann: »So weit der wichtige Teil für das Protokoll. Wir möchten die hier versammelte Gesellschaft nicht länger von ihren Verpflichtungen fernhalten als unbedingt nötig. Besonders die Herren Botschafter werden sicher noch einige Depeschen zu verfassen haben. Bitte richtet unsere Grüße aus.«
    Das Gelächter im Saal klang gedämpfter als zuvor.
    »Monsieur Jean-Frangois de La Roque Sieur de Roberval, Monsieur Jacques Cartier - tretet vor und empfangt die Ernennungsurkunde aus der Hand Eures Königs.«
    Marguerite stellte sich auf die Zehenspitzen, um nur ja nichts zu verpassen. Ihr Onkel trat zuerst vor, verbeugte sich leicht und nahm die Urkunde entgegen. Dann zwinkerte der Monarch ihm verschwörerisch zu und legte ihm die Hand freundschaftlich auf die Schulter. Marguerite konnte es nicht fassen. Sie wußte natürlich, daß ihr Onkel früher bei Hofe gelebt hatte, aber sie hatte diese Behauptung, er sei ein enger Jugendfreund des Königs gewesen, immer für . leicht übertrieben gehalten. Jetzt sah sie, daß diese beiden Männer wirklich einmal sehr vertraut miteinander gewesen sein mußten.
    Monsieur Cartier hingegen nahm seine Urkunde ohne Freundschaftsbezeugungen des Königs entgegen. Er wirkte nicht sehr glücklich, im Gegensatz zu ihrem Onkel, der vor Stolz fast zu platzen schien.
    »Und nun bitten wir die anwesenden Damen und Herren um Vergebung - die nächsten Staatsangelegenheiten bedürfen unserer Anwesenheit.«
    Und ohne sich weiter aufzuhalten, eilte der König, begleitet von seinen Gardisten, davon. Die Menge teilte und verneigte sich.
    Kaum war der König durch die Flügeltüren verschwunden, brach eine ganze Schar der Anwesenden auf, um dem König zu folgen, so wie ein Schweif einem Kometen folgt.
    »Marguerite, ich möchte dich mit jemandem bekannt machen«, polterte die Stimme ihres Onkels durch den Saal. Er schleppte den Entdecker Hochelagas und Kanadas hinter sich her. »Monsieur Jacques Cartier, meine Nichte, Marguerite de La Roque de Roberval.«
    »Mademoiselle, es ist mir eine Ehre.«
    Marguerite versuchte, sich möglichst damenhaft zu geben. »Ich freue mich sehr, den berühmten Entdecker persönlich kennenzulernen. Und noch mehr freue ich mich darüber, daß Ihr uns auf dieser Reise begleitet.«
    »Die Freude ist ganz auf meiner Seite, vor allem da Euer Onkel mir erzählte, daß Ihr ihm schon bald nach Saint-Malo, in meine Heimatstadt, folgen werdet. Ich hoffe, es gefällt Euch dort.«

 
Saint-Malo
     
    Saint-Malo war zu jener Zeit einer der wichtigsten Häfen Frankreichs. Die Seefahrer dieser Stadt waren berühmt und als Korsaren berüchtigt. Jacques Cartier war hier geboren und er war von seiner Heimatstadt aus schon zweimal gen Westen gesegelt, zu den neuen, unbekannten Ländern jenseits des Atlantiks. Die Stadt lag auf einer dem Festland vorgelagerten Halbinsel, auf drei Seiten von Wasser umgeben und nur über eine schmale Landverbindung zu erreichen. Sie war schon von Natur aus bestens

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