Die Insel der Dämonen
ungeheuren Umfang die Reisevorbereitungen erreichten. Es mußten, von lebenden Hühnern und Schweinen bis zu Fässern mit Pökelfleisch, Tonnen von Proviant beschafft werden. Vom Nagel über die Säge bis zum Schmiedeamboss, wurde alles erdenkliche Werkzeug bestellt und verladen. Die Liste der Reisenden wuchs und wuchs, erst waren es hundert, dann zweihundert, schließlich vierhundert - und das waren noch lange nicht genug: Geplant war, daß tausendfünfhundert Menschen die Reise in die Ferne antreten sollten. Dreihundert Soldaten zum Schutz der jungen Kolonie würden darunter sein. Die marschierten mit wehenden Fahnen Ende Februar in Saint-Malo ein. Sie standen unter dem Kommando eines gewissen Colonel Victor de Villeforte, eines alten Haudegens, den de Roberval noch aus dem Krieg kannte.
Vielleicht - vielleicht! - wäre alles anders gekommen, wenn Marguerite sich nicht eines Tages Anfang März in den Kopf gesetzt hätte, selbst einkaufen zu gehen. Normalerweise war das die Aufgabe von Marcel, dem Koch, aber an diesem Tag, der frisch und klar war und schon ein bißchen nach Frühling schmeckte, wollte Marguerite unbedingt aus dem Haus.
»Diese ewige Stickerei hängt mir zum Hals raus, liebe Damienne«, begründete sie ihre Entscheidung. »Du kannst ja hierbleiben, aber ich will an die frische Luft.«
Damienne seufzte und tat ein bißchen mürrisch, aber natürlich kam sie mit. Und so schlenderten die beiden Frauen an einem der ersten kühlen Vorfrühlingstage über den Markt von Saint-Malo.
Erst einmal angekommen, schien Damienne förmlich aufzublühen. Sie feilschte mit den Händlern, bis sie die Waren zu einem Preis bekam, der weit unter dem lag, was Marguerite längst zu zahlen bereit gewesen wäre.
»Ich wußte gar nicht, daß du so gut handeln kannst, Damienne«, staunte sie.
»Oh, das habe ich von meiner Mutter gelernt. Erst wenn die Händler Tränen in den Augen haben, ist der Preis halbwegs angemessen, pflegte sie zu sagen.«
»Wir sollten dich zur Verwalterin unserer Güter ernennen«, sagte Marguerite, und sie meinte es nur zur Hälfte im Scherz.
»Ach, hör auf«, wehrte Damienne lachend ab, »schau lieber, ob du ein paar anständige Hühner für heute Abend findest!«
Es gab dort, in der Ecke des Marktes, einen Stand, der Eier, aber auch lebende Hühner feilbot. Sie suchten zwei fette Hennen aus, die mit zusammengebundenen Füßen in einem Käfig saßen und aufgeregt gackerten. Damienne drückte sie der verdutzten Marguerite in die Hände und begann, in aller Ruhe mit dem Händler zu feilschen. Nun hatte Marguerite in jeder Hand ein Huhn, das heftig mit den Flügeln schlug. »Mistviecher«, murmelte sie ganz undamenhaft. Da fiel ihr Blick auf eine Gruppe von vier Soldaten, die über den Markt schlenderten. Sie gehörten zu Colonel de Villefortes Männern. Sie kamen in Marguerites Richtung, vorneweg ein junger Leutnant mit blonden Locken, der ihr sofort auffiel. Er sah sie unverhohlen an, und als sich ihre Blicke trafen, errötete Marguerite, ohne zu wissen, warum. Für einen Augenblick war sie abgelenkt und genau in diesem Moment unternahmen die beiden Hühner in ihren Händen wild flatternd einen Fluchtversuch. Marguerite stolperte, verlor das Gleichgewicht und stürzte über einen Korb mit Eiern auf die Straße, während das Federvieh das Weite suchte. Der Händler fluchte, jemand lachte laut, die Hühner gackerten, Damienne rief: »Festhalten!«, und Marguerite lag auf der Erde, über einem Korb zerbrochener Eier, und wäre am liebsten im Erdboden versunken.
»Darf ich Euch aufhelfen, Mademoiselle«, fragte eine Stimme.
Sie blickte auf und sah in das grinsende Gesicht des jungen Offiziers.
Zornig blitzte sie den Fremden an: »Ich komme zurecht, helft lieber meiner Begleiterin, die Hühner wieder einzufangen - oder sind Euch Hühner zu gefährlich, Herr Soldat?«
Der Offizier schmunzelte: »Wir werden sehen, ob wir diesen Feind nicht für Euch zur Strecke bringen können, Mademoiselle. Kameraden - zum Angriff!«
Unter Johlen und Lachen der Menge stürzten die vier Soldaten den Hühnern nach, die kaum mehr Widerstand zu leisten wagten und bald eingefangen waren.
»Mademoiselle: die Gefangenen!«, verkündete der Leutnant mit übertriebenem Stolz und hielt die Hühner triumphierend in die Höhe. »Ihr seht, auf die Soldaten Frankreichs ist Verlaß!« »Wie schade, daß die Spanier keine Hühner in den Kampf schicken«, entgegnete Marguerite.
Die Umstehenden lachten, dem Soldaten blieb der
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