Die Insel der Krieger
jeder, der die Stadt betreten wollte, einer gründlichen Durchsuchung unterzogen wurde. Zwei bewaffnete Männer in Rüstung flankierten den Zugang zur Stadt und untersuchten das Gepäck der Menschen, die sich gesammelt ha t ten. Nalig bemerkte, dass niemand mit Waffen in die Stadt eingelassen wurde. Auf einem Karren neben dem Tor sammelte sich schon allerlei, was die Händler und Wanderer zu ihrem Schutz mitgeführt hatten. Doch Nalig wollte seine Waffe nicht ablegen. Das Schwert war wen i ger wichtig. Den Stab jedoch würde er nicht aus der Hand geben. Er war zu wichtig und die Gefahr, dass er ihn nicht wieder bekam, groß. Schon wegen des Smaragds, der darin eingelassen war. Nalig überlegte, ob er unter diesen Umständen besser außerhalb der Stadt schlafen sollte, da kam ihm eine Idee. Als er an der Reihe war, humpelte Nalig auf einen der Wachmänner zu. Er stützte sich schwer auf seinen Stab und stöhnte bei jedem Schritt so laut, dass es gerade noch glaubwürdig war. »Name? « , fragte der Mann durch den Schlitz in seinem Visier. Seine Stimme klang unter dem Helm gedämpft und ein Keuchen ve r riet, dass er in seiner Rüstung schwitzte. Vielleicht war das der Grund für seine schlechte Laune. »Nalig«, antwortete der Junge. Er konnte das Stirnrunzeln des Mannes nur erahnen. »Ist das dein richtiger N a me? « »Ja, was stört Euch denn daran? « »Nichts. Schon gut. Was willst du hier? « »Mich ein wenig von meiner Reise erholen. « Bei seinen An t worten bemühte sich Nalig, einen einfältigen Eindruck zu erwecken und auf keinen Fall wie jemand zu erscheinen, der Geheimnisse hatte. »So, von deiner Reise. Und wie lange bist du mit diesem Klumpfuß schon unterwegs? « »Seit heute Morgen. « »Und wo geht die Reise hin? « »Ein Stück noch nach Norden. Verwandte besuchen. « Es schien Nalig keine gute Idee, dem Mann zu berichten, dass er unterwegs war, um den König zu sehen. »Für einen Besuch bei Verwandten hast du dich aber ganz schön ausstaffiert. « Nalig zwang sich zu einem dümmlichen Grinsen. »Man weiß ja nie. « »In die Stadt kann ich dich so aber nicht lassen. Deine Waffen bleiben hier. « Folgsam schnallte Nalig sein Schwert ab. »Bekomme ich meine Waffen wieder, wenn ich die Stadt verlasse? « , fragte er so beiläufig wie möglich. »Wenn du Glück hast. « Nalig warf noch einen kleinen Dolch, den er unter dem Mantel trug, auf den Wagen neben dem Tor. Dann machte er Anstalten, an dem Wächter vorbeizugehen. Dieser streckte seinen Speer vor und ve r sperrte ihm den Weg. »Der Prügel bleibt auch hier«, meinte er. Mit möglichst betroffener Miene fragte Nalig: »Aber wie soll ich dann zum nächsten Wirtshaus kommen? « »Das ist dein Problem. Ich mache hier nur meine Arbeit. « »Aber was sollte ich mit dieser Gehhilfe anrichten, was ich nicht auch mit einem Besenstiel fertig brächte? « , versuchte Nalig es mit Vernunft. Der Mann stutzte. Womöglich schien ihm dieser Einwand verdächtig schlüssig. »Na los, dann geh schon. Aber mach keinen Ärger. « Der Wächter machte den Weg frei und Nalig ließ ihn hinter sich, so schnell er es wagte. Als er außer Sichtweite des Tors war, gab er es auf, seinen Stab als Stütze zu nutzen. Beschwingt griff er ihn mit einer Hand und wirbelte ihn im Gehen umher. Was dem Ju n gen sofort auffiel, war, dass sich eine Menge seltsamer Gestalten in den Seitenstraßen und Gassen herumdrückte. Sie schienen keine Bü r ger der Stadt zu sein, sondern eher ein Ergebnis der Unruhen im Land. Augenblicklich ergab das Waffenverbot für Nalig Sinn. Doch auch unbewaffnet ließen diese Männer seine Nackenhaare zu Berge stehen. Auf der Suche nach einem Gasthof kam er an vielen von ihnen vorbei. Sie musterten Nalig ebenso berechnend wie er sie. Einige wenige So l daten des Königs patrouillierten auf den Straßen, schienen allerdings zu eingeschüchtert, um im Ernstfall wirklich einzuschreiten. Aus einer breiten Straße, die Naligs Weg kreuzte, drang Stimmengewirr, das nichts Gutes verhieß. Unwillkürlich blieb der Junge an der Kreuzung stehen. Eine Gruppe von Menschen machte einen großen Kreis und verfolgte ein Geschehen in ihrer Mitte. Neugierig trat auch Nalig näher und drängte sich zwischen die Schaulustigen. Er sah einen Jungen mit strubbeligem, schwarzem Haar von etwa zehn Jahren, der wütende Verwünschungen gegen einen Mann in schwarzem Kapuzenumhang ausstieß. Der Mann und eine Gruppe grobschlächtig aussehender Kerle hatten sich in einer Nische zwischen
Weitere Kostenlose Bücher