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Die Insel der Krieger

Die Insel der Krieger

Titel: Die Insel der Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Manz
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blickte der Mann zu Nalig auf. Der Junge erschrak und zog den Kopf ein, bis ihm wieder bewusst wurde, dass ihn niemand sehen konnte. Gerade als Nalig seinen Begleiter aufforderte weiterz u fliegen, schoss etwas haarscharf an seinem Kopf vorbei. Er wandte sich blitzschnell um, erkannte jedoch, dass es nur ein Habicht war. Da durchzuckte ihn plötzlich ein Gefühl von Rachsucht, das ihm beinahe den Blick vernebelte. Doch es war nicht sein Gefühl, sondern Merlins. Der Falke drehte ab und schloss mit wenigen Flügelschlägen zu dem Habicht auf. Nalig ermahnte seinen Begleiter, vernünftig zu sein und den Vogel ziehen zu lassen. Merlin übermittelte Nalig den Schmerz eines gebrochenen Flügels, was erstaunlicherweise gelang, auch wenn der Junge selbst keine besaß. Von dieser Empfindung aufgewühlt, wollte Nalig seinem Begleiter gerade klarmachen, wie niederträchtig derartige Rachegelüste waren, da war Merlin auch schon hoch über dem Habicht. Er schnellte auf den vergleichsweise geradezu lächerlich kleinen Raubvogel herab. Ehe er ihn erreichte, fing er den Sturzflug mit einem Ruck ab. Die Luft, die er dadurch verdrängte, erfasste den Habicht und riss ihn in die Tiefe, ehe der verschreckte Vogel sich wieder fing. Schon hatte Merlin wieder auf ihn angelegt. Dieses Mal streifte er den Habicht seitlich mit einer einzigen seiner riesigen Schwungfedern. Der Vogel, aus seiner Flugbahn geworfen, trudelte wild durch die Luft. Mit einem verängstigten Ruf rettete er sich in einen Baum, den Merlin ohne Mühe mit dem Schnabel hätte ausreißen können. Doch der Falke hatte genug und schlug wieder den Weg ein, den Nalig ihm vorgab. Dem Sonnenstand nach war es auf dem Fes t land erst kurz nach dem Morgengrauen. Hier herrschte noch immer Winter und Nalig, der die Kälte nicht mehr gewohnt war und nahezu unbeweglich auf Merlins Rücken saß, war schon bald völlig durchg e froren. Seine Finger waren taub und der kalte Flugwind brannte in seiner Nase. Während des Flugs verfolgte Nalig auf Kayas Karte, ob sie noch richtig waren und wie rasch sie vorankamen. Gegen Mittag bekam er Hunger. Obgleich er sich sagte, dass auf Kijerta seit seinem Aufbruch erst wenige Stunden vergangen waren, scherte sein Magen sich nicht um die Zeitrechnung auf der Insel. Daher landeten sie auf einem Felsen. Nalig verspeiste Fisch und Trockenfleisch aus seinem Proviant. Merlin, auf seine normale Größe geschrumpft, jagte unte r dessen ein paar Feldmäuse. Nach dieser ausgesprochen kurzen Rast flogen sie weiter. Auf den Feldern, die sie überflogen, sammelten sich noch immer Gruppen von Räubern und Wegelagerern. Doch mit ihnen konnte Nalig sich nicht aufhalten.
    Als sich der Tag dem Abend neigte, stellte Nalig fest, dass er beim Fliegen immer wieder nach vorn kippte, wenn ihm für einen Moment die Augen zufielen. Auch Merlins Flügelschläge wurden kraftloser. Der Falke war eher dafür gemacht, kurze Strecken und dafür umso schne l ler zu fliegen. Die lange Reise hatte auch ihn ermüdet. So blickte sich Nalig nach einem Dorf oder einer Stadt um. Da er den ganzen Tag auf Merlins Rücken gesessen und gefroren hatte, sehnte er sich nach e i nem warmen Zimmer und einem Bett. Zudem erschien ihm eine wa r me Mahlzeit in einem Wirtshaus reizvoller als das trockene Brot, das Lina ihm eingepackt hatte. In diesem Teil des Landes gab es nur wenig bewohnte Gebiete. Ein paar kleine Siedlungen zogen unter Nalig d a hin. Doch dort würde es wohl kaum ein Gasthaus geben. Seine Karte zeigte ihm, dass er, um zur nächsten Stadt zu gelangen, ein ganzes Stück nach Westen fliegen musste. Sie lag eigentlich nicht auf seinem Weg. Dennoch hatte er mehr davon, so fand er, wenn er am nächsten Tag ausgeruht weiterfliegen konnte. Als endlich die Mauern und Tü r me der Stadt in Sicht kamen, stand die Sonne bereits sehr tief. Um die Menschen nicht übermäßig auf sich aufmerksam zu machen, indem er scheinbar aus dem Nichts auftauchte, landete er ein Stück entfernt. Merlin verwandelte sich zurück und flog auf Naligs Schulter. Der Junge bedeutete dem Vogel, außerhalb der Stadt zu warten, bis er zurückkam oder ihn rief. Der Falke übermittelte ihm ein Gefühl des Widerwillens, flog jedoch folgsam in einen Baum und blieb dort, wä h rend Nalig auf die Stadtmauer zuging. Schon von Weitem fiel dem Jungen ein Menschenauflauf am Stadttor auf. Händler, Reisende und Stadtbewohner drängten sich murrend vor dem Tor und warteten auf Einlass. Erst als Nalig näher kam, erkannte er, dass

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