Die Insel der Krieger
länger als der Hof, den Thorix gewohnt war, doch ansonsten glich er ihm fast völlig. Kaya, Thorix und Greon stiegen von Kazards Rücken. Der Büffel verwandelte sich zurück. »Folgt mir«, forderte Kaya die Jungen auf und ging voran. Thorix überlegte, ob er Greon führen sollte. Er hätte sich nicht wohl dabei gefühlt. Doch Greon folgte der Göttin mit unerschütterlicher Gleichgültigkeit. Das Innere des südlichen Haupthauses war viel ve r worrener als das des nördlichen. Möglicherweise erschien es auch nur deshalb so, da Thorix eine andere Aufteilung gewohnt war. Es war dunkel, da niemand hier war, um Kerzen in die Halter zu stecken. Was Thorix von den Räumen sah, wirkte gespenstisch. Überall lag eine dicke Staubschicht. Doch abgesehen davon machte alles den Eindruck, als wären die Bewohner des Tempels nur kurz fortgegangen. In einem großen Raum, der dem Speisesaal im nördlichen Haupthaus ähnelte, standen noch Teller und Schüsseln auf dem Tisch. Ihr Inhalt war längst zu Staub zerfallen. In einem anderen Raum steckte noch eine Feder im Tintenfass, das auf einem halb beschrifteten Pergament stand. Mitten auf dem Gang stand ein Korb voller Kleidung oder lag ein Haufen Bücher. Thorix’ Nackenhaare sträubten sich. Was hatte die Bewohner dieses Ortes nur dazu bewogen, so fluchtartig aufzubr e chen? »Hier ist es«, riss Kaya Thorix aus seinen Gedanken. Sie standen vor einer völlig leeren Wand. Keine Statue, kein Bild, kein Fenster oder eine Tür. Die Göttin legte eine Hand auf den nackten Stein und plötzlich begannen sich Furchen in der Wand zu bilden. Es entstand ein Rechteck, das schließlich nach vorn klappte und ein Loch in der Wand hinterließ. Dahinter kam ein Raum zum Vorschein. Er war rund und ringsum weiß gestrichen. Es gab keine Fenster und dennoch herrschte ein so helles Licht, dass es beinahe blendete. Kaya trat als Erste ein. Greon zögerte. Sichtlich widerwillig folgte er ihr. Thorix blieb draußen stehen. Die Göttin band die Hände des Jungen los, die noch immer mit dem Gürtel gefesselt waren. Thorix suchte Greons Blick. Er hoffte, dass sein langjähriger Freund noch irgendetwas sagte, es musste nicht einmal eine Erklärung sein. Nur ein Zeichen, dass sie sich kannten. Doch Greon blickte stur zu Boden. Kaya verließ den Raum. Kaum dass sie über die Schwelle getreten war, schob sich der Steinquader zurück in die Wand und verschmolz mit ihr. Nichts ließ mehr erkennen, dass Greon noch irgendwo dahinter war. Niederg e schlagen folgte Thorix der Göttin nach draußen. Insgeheim hatte er gehofft, dass noch etwas geschah, das Greons Bestrafung abwandte. Dass er tatsächlich Arkas getötet hatte, war noch nicht wirklich in sein Bewusstsein vorgedrungen.
Anders ging es Nalig und Zalari. Die beiden Jungen saßen vor M i ras Hütte, während die Kräuterfrau Arkas’ Körper untersuchte. Nalig war kurz in seinem Zimmer gewesen, um frische Kleidung für Arkas zu holen, die er tragen sollte, wenn er in der Grabkammer zur Ruhe gebettet wurde. Dabei war sein Blick auf Arkas’ Bett gefallen, das zerwühlt war wie immer und in dem noch aufgeschlagen ein Buch lag, das er nie zu Ende lesen würde. Der Anblick hatte Nalig völlig die Fassung verlieren lassen. Wie im Wahn hatte er begonnen, seine Ha b seligkeiten durch das Zimmer zu werfen, hatte einen Stuhl durch das Fenster nach draußen geschleudert und dann so lange auf den Fußb o den eingeschlagen, bis seine Hand blutete. Dann war Ilia hereing e kommen. Wortlos hatte sie sich zu ihm auf den Boden gesetzt, sein Gesicht in beide Hände genommen und ihn einfach nur angesehen. Nalig hatte die Arme um sie geschlungen und sie so fest gehalten, wie er konnte, ohne ihr wehzutun. Und er hatte sich geschworen, nie wi e der zuzulassen, dass jemand seiner Familie Schaden zufügte.
Nun saß er wieder neben Zalari im Gras. Keiner der beiden sprach ein Wort. Was hätten sie auch sagen sollen? Etwa zwei Stunden war Mira beschäftigt. Dann rief sie die beiden Jungen herein. Sie hatte ihre Arbeit gut gemacht. Arkas’ Augen waren geschlossen und seine Züge wirkten entspannter. Seine Hände waren über der Brust gefaltet und er bot ein friedliches Bild. Er sah nun viel mehr nach dem Arkas aus, den Nalig kannte, doch das machte es nicht leichter. Die Jungen trugen Arkas in die Halle des Schicksals, wo er aufgebahrt wurde. Ilia brachte Nino und legte ihn auf Arkas’ Brust. Kaya und Thorix waren zurück. Die Inselbewohner versammelten sich in der Halle des
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