Die Insel der Krieger
Zalari war nicht da. Stirnrunzelnd zog Nalig den Kopf aus dem Raum zurück. Wo konnte Zalari sein? Auch im Speisesaal und bei Mira fehlte von ihm jede Spur. Als Nalig zum Badehaus ging, um dort nach ihm zu suchen, fiel ihm auf, dass die Statue von Rika und ihrem Steinbock nicht über die Öffnung im Boden geschoben war. Nalig beugte sich über das Loch im Boden. Ein Schwall abgestandener Luft schlug ihm entgegen. Dann tauchte Zalari auf der Treppe auf. Er trug seine Rüstung und zog einen riesigen Getreidesack hinter sich her. »Was machst du denn da? « , wunderte sich Nalig und half ihm die letzten Stufen hinauf. »Ich habe die Reste des Kornblumenpulvers zusammengefegt. « »Und was hast du damit vor? « Zalari stellte den Sack ab und schob die Statue auf ihren Platz. »Ich werde zur Insel der Ferlah fliegen. « »Was? Bist du verrückt? « »Ich war selten so bei Ve r stand wie jetzt. Die Ferlah wissen, dass wir geschwächt sind. Lange können sie nicht mehr auf ihrer Insel bleiben. Sie kommen sicher bald. Unsere einzige Möglichkeit ist es, sie in ihrem Versteck zu bekämpfen. Dort werden die Kreaturen ihre Masken nicht tragen. « »Aber du kannst nicht alleine alle Ferlah töten. « »Das wird sich noch zeigen. « »Warte wenigstens, bis Aro und Thorix wieder auf den Beinen sind, um dich zu begleiten. « Zalari schüttelte den Kopf. Er war fest en t schlossen. »Es kann Wochen dauern, bis die beiden kampfbereit sind. Bis dahin könnte es zu spät sein. Außerdem sind der Büffel und die Schlange zu langsam. Ich muss die Insel der Ferlah erreichen, ehe sie sich alle auf den Weg nach Kijerta machen. « »Ich bitte dich, das nicht zu tun«, entgegnete Nalig. »Mein Königreich zu beschützen ist nicht deine Aufgabe. « »Ich tue das weder für Eda noch für dich. Zumindest nicht nur. Nach allem, was die Ferlah getan haben, will ich nichts unversucht lassen, sie zu vernichten. « Nalig seufzte. »Das ist reiner Selbstmord. « »Das weiß ich. Ich habe gründlich darüber nachgedacht, ob ich das wirklich tun will. Und ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich es nicht wenigstens versuche. « Einen Augenblick spielte Nalig mit dem Gedanken, Zalari gefesselt in seinem Zimmer einzuschließen. Doch im Grunde verstand er seine Entscheidung. Und er bewunderte seinen Mut. »Du weißt, ich wäre sofort mit dir gekommen, wenn ich könnte. « Zalari nickte. »Ich hoffe, ihr findet einen Weg, das Grauen zu besiegen. « »Beeil dich mit den Ferlah, dann kannst du zurückkommen und uns helfen. « Zalari lachte freudlos. »Hier, ich lasse euch etwas von dem Pulver. Nur für den Fall. « Er reichte Nalig ein Bündel. »Ich gebe es Aro. Ich werde die nächsten Tage nicht im Tempel sein. « Zalari staunte. »Und wohin willst du? « Nalig erklärte ihm sein Vorhaben. »Ich hoffe sehr, dass es dir gelingt, Stella zu finden. « Die Jungen standen sich eine Weile schweigend gegenüber. »Na dann wünsche ich euch allen viel Glück«, meinte Zalari schließlich. »Das wünsche ich dir auch. « Nalig wollte Zalari die Hand reichen, als dieser ihn umarmte. »Grüß Ilia von mir«, bat er. Nalig erwiderte die Umarmung und spürte plötzlich einen Kloß im Hals. »Bevor du das Gebirge überquerst, kannst du dich in König Kilians Schloss ausruhen. Sag ihm einfach, du seist ein Freund von mir, und falls das nichts nutzt, wirf ihm den Kopf einer der Kreaturen in den Schlossgarten. Da muss einer ganz in der Nähe im Wald liegen. « In Zalaris Gesicht zeigte sich der Anflug eines Lächelns. Er schleppte das Kornblumenpulver hinaus in den Inne n hof. Durch ein Fenster beobachtete Nalig, wie Kir sich verwandelte, abhob und am Himmel verschwand. »Das war vermutlich das letzte Mal, dass wir die beiden gesehen haben«, stellte Nalig fest und strich über Merlins Gefieder. Der Falke teilte Naligs Bedauern. Der Junge legte den Rest des blauen Pulvers vor Aros Tür und hinterließ ihm eine Notiz. Er ertrug nicht noch einen Abschied. Durch die Halle des Schicksals verließ er den Tempel und ging entschlossen in den Wald hinein. Er kam an der Lichtung vorbei, auf der er mit Stella trainiert hatte. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass sie ihn hier beleidigt und gedemütigt hatte. Und jetzt war sie fort. Nalig kam auch an dem Abhang vorbei, den Arkas hinuntergestürzt war. Wie erleichtert er damals gewesen war, als Mira ihm versichert hatte, er würde wieder gesund werden und wie erschöpft er durch den weiten Weg mit Arkas auf dem Rücken gewesen
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