Die Insel der Krieger
»Na los, flieg schon. « Der Raubvogel schwang sich auf und drehte einige weite Kreise unter der Decke des Raumes und kehrte dann auf die Schulter des Jungen zurück. Dieser blickte erst auf das Tier, dann zu Kaya, die ebenso ratlos schien wie er. »Offenbar gibt es hier keine Waffe, die er für geeignet hält«, schlussfolgerte sie dann schulterzuckend. »Und was bedeutet das? « »Das bedeutet, dass du Geduld haben musst. Vielleicht fertigt Jiro bald eine Waffe, die er für passend befindet. Wir müssen ihn einfach regelmäßig in diesen Raum führen, bis er seine Wahl g e troffen hat. « »Ist so etwas schon häufiger vorgekommen? « »Nein, mir ist bisher kein Fall bekannt, bei dem das Begleittier nicht sofort eine Waffe gewählt hat. Schließlich ist die Auswahl sehr groß. « Kaya wan d te sich zum Gehen. Nalig zögerte. »Kann er es nicht noch einmal versuchen? « »Ich glaube nicht, dass uns das weiterbringt. Komm jetzt, die anderen warten sicher schon im Speisesaal auf uns. « Mit einem wehmütigen Blick auf das funkelnde Metall folgte Nalig der Göttin hinaus. Warum konnte sein Falke sich nicht einmal so verhalten, wie es für ein Begleittier üblich war?
»Wo bist du denn gewesen? Als ich heute Morgen an deine Tür g e klopft habe, warst du schon weg«, begrüßte Arkas ihn, als Nalig bald darauf den Speisesaal betrat. Nino flüchtete sich sofort in seine Arme, als er Nalig und seinen Falken herannahen sah. »Ich war mit Kaya draußen, um für meine Rüstung Maß nehmen zu lassen und meine Waffe zu bekommen. « »Tatsächlich? « Arkas musterte ihn neugierig. »Und wo hast du sie? « »Scheinbar plant mein Begleiter wieder eine ganz besondere Überraschung. Jedenfalls hielt er keine der Waffen für geeignet«, erwiderte Nalig zähneknirschend, nachdem sein Falke hi n auf auf einen der Kronleuchter geflogen war und er sich vergewissert hatte, dass Kaya nicht mithörte. Arkas grinste, versuchte jedoch, Nalig zu beruhigen. »Das ist sicher nur eine Frage der Zeit. Es kann ja nicht alles sofort klappen. Sieh mal, mein Bruder hat nicht einmal sein B e gleittier und wir sind schon fast fünf Jahre auf dieser Insel. « »Ja, wobei mir allerdings noch immer nicht ganz klar ist, weshalb du eigentlich hier bist«, hörten sie Greon sagen, der gerade mit Thorix hinter ihnen vorbeilief und Arkas einen Schlag gegen den Hinterkopf versetzte. »Ich glaube, du nimmst dir das zu sehr zu Herzen«, ignorierte Arkas die Bemerkung und rieb sich die schmerzende Stelle an seinem Kopf. Nalig beobachtete Greon und Thorix, die sich auf ihren Plätzen ni e derließen, sagte jedoch nichts weiter. Trübsinnig stocherte er in seinem Frühstück herum. Zwar wusste er nicht recht, was er erwartet hatte, doch so hatte er sich seine Ausbildung auf dieser Insel nicht vorg e stellt. Glücklicherweise wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es im Laufe des Tages noch schlimmer kommen sollte. Als Nalig sich wieder etwas gefasst hatte, fielen ihm erneut die beiden leeren Plätze auf. Einer davon musste Zalari gehören, der aus naheliegenden Grü n den nicht an den Mahlzeiten teilnehmen konnte. Er fragte abermals nach dem Verbleib des achten Kriegers. Arkas warf Kaya einen flüc h tigen Blick zu und meinte dann leise: »Stella kommt nie zu den Mah l zeiten. Sie lässt sich auch sonst kaum blicken. Sie hat das Zimmer direkt neben deinem. Aber ich sehe sie trotzdem nur selten. « »Ich dachte, Kaya legt so großen Wert darauf, dass alle Krieger gemeinsam essen. « »Kaya hat nicht viel für Stella übrig. Ich glaube, sie will nicht, dass ein Mädchen hier zur Kriegerin ausgebildet wird. « Nalig zog die Augenbrauen hoch. »Warum sollte sie das stören? Schließlich ist sie selbst… « Weiter kam Nalig nicht, denn sein Falke hatte eben diesen Moment gewählt, um im Sturzflug auf dem Tisch zu landen, in der Hoffnung, ein paar Stücke von seinem Teller zu ergattern und hatte dabei drei Gläser und einen Krug mit Kirschnektar umgestoßen. »Ve r schwinde, los weg mit dir«, fluchte der Junge und scheuchte das F e dervieh zurück auf den Kronleuchter, während sich das Tischtuch rot färbte und der Nektar von der Tischkante auf seinen Schoß sickerte. Arkas versuchte, mit seiner Serviette das Schlimmste zu verhindern, während Greon und Thorix vor Lachen fast vom Stuhl fielen und Kaya tadelnde Blicke vom anderen Tischende herüberwarf. »Ist nicht weiter schlimm«, meinte Arkas mit einem Seitenblick auf Nalig, der innerlich zu brodeln begann.
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