Die Insel der Krieger
unter das abendliche Konzert der Vögel ein vertrauter Ruf mischte. Ein Falke kreiste über dem Innenhof und Zalari brauchte nicht erst das fehlende Auge zu sehen, um Merlin zu erkennen. »Was machst du denn hier? « , fragte der Junge völlig entgeistert, als der Falke auf seinem ausgestrec k ten Arm landete. Dass Merlin am Leben war, konnte nur eines bede u ten… Er rannte durch den Tempel, die Halle der Krieger entlang, durch die verborgene Tür und das Portal nach draußen. Und tatsäc h lich, da kam Nalig gerade von Miras Hütte zum Tempel herüber. Sein Blick fiel auf Zalari und es dauerte einen Moment, bis er erkannte, wen er da vor sich hatte. Er blieb stehen und es war belustigend mit anz u sehen, wie sein Gesichtsausdruck von Überraschung in stürmische Freude überging. Die beiden Jungen rannten aufeinander zu und fielen sich in die Arme. »Wo hast du denn so lange gesteckt? « , wollte Zalari wissen. »Na, du hast es gerade nötig«, erwiderte Nalig mit tränene r stickter Stimme. »Seit wann bist du hier? Mira hat kein Wort gesagt. « »Ich bin vor nicht einmal einem Tag hier angekommen. « »Du hast die Ferlah vernichtet«, stellte Nalig fest und klopfte seinem Freund auf die Schulter. »Und du hast das Grauen besiegt. Dass du aber auch immer so übertreiben musst«, erwiderte Zalari und lachte. »Was ist mit Ste l la? « , wollte er dann wissen. Naligs Miene trübte sich. »Sie hat es nicht geschafft. Ich habe sie und Aila hierher gebracht. Deshalb habe ich so lange gebraucht. Aber ich wollte sie nicht zurücklassen. « Zalari nickte niedergeschlagen. »Ich verstehe. Und ist sie… Ich meine, hat das Grauen… « Nalig schüttelte den Kopf. »Nein. Ihr Gesicht hat es nicht bekommen. Und sie hat die ganze Größe eines Kriegers bewiesen. Wir haben ihr viel zu verdanken. « Zalari brannte darauf zu erfahren, wie Nalig das Grauen besiegt hatte und auch Nalig wollte nur zu gerne die Geschichte von Zalari und seinem Triumph über die Ferlah hören, doch das musste noch etwas warten. »Hat Mira dir überhaupt etwas von dem erzählt, was im Tempel passiert ist, während du weg warst? « , fragte Zalari. »Nein«, erwiderte Nalig verunsichert. »Ich habe nur Stella zu ihr gebracht. Sie sagte, sie sei froh, dass ich zurück bin. Weiter nichts. Weshalb fragst du? Ist etwas passiert? « »Das solltest du dir selbst ansehen«, entgegnete Zalari und begleitete Nalig zur Kammer neben der Küche. Ilia stieß einen Schrei aus, als Nalig eintrat und sprang so abrupt auf, dass sie beinahe über Eldo gestürzt wäre. Sie umarmte den Jungen stürmisch und Merlin flog empört von seiner Schulter. Das Mädchen begann haltlos zu weinen und auch Nalig mühte sich nicht, die Freudentränen zu verbergen. Er war so froh darüber, das Mädchen gesund vorzufinden und endlich wieder in Ilias Nähe zu sein, dass ihm gar nicht auffiel, dass sich die Umarmung anders anfühlte als zuvor. Endlich gelang es Ilia, sich zu sammeln und sie wischte ihre Tränen beiseite, als sie von Nalig zurück trat und meinte: »Hier ist jemand, den du kennen lernen solltest. « Verwundert folgte Nalig ihr mit den Augen, während sie zu der Wiege neben dem Bett ging. Es verschlug ihm beinahe die Sprache, als das Mädchen ihm den Säugling in die Arme legte. Mit großen Augen starrte das Neug e borene zurück, gab jedoch keinen Laut von sich. »Meine Güte, bist du winzig«, stellte er fest und berührte vorsichtig die kleinen Fingerchen, die sogleich mit erstaunlicher Kraft seinen Daumen ergriffen. »Er ist unglaublich niedlich«, erklärte Nalig und ein Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit. Aus irgendeinem Grund erfüllte ihn gerade jetzt der gesamte väterliche Stolz. »Ja, die Kleine ist wirklich bildhübsch. Und sie sieht genau aus wie du«, erwiderte Ilia und grinste. »Sie? « , fragte Nalig erstaunt und musterte seine Tochter eingehend. »Alle r dings. « »Aber wie konntest du das wissen? « Es war nicht etwa so, dass er enttäuscht war, er behielt nur gerne Recht. »Ich habe es nicht g e wusst. Aber irgendwie geahnt. « Nalig küsste das Mädchen auf die Stirn. »Wehe, du erzählst ihr das, wenn sie einmal älter ist. « »Das übe r lasse ich ihrem Paten«, lächelte Ilia und nickte zu Zalari hinüber. »P a te? « »Natürlich nur, wenn du einverstanden bist. « »Wenn nicht du, wer dann?”, entgegnete Nalig und umarmte Zalari freundschaftlich, wä h rend Ilia ihre Tochter wieder schlafen legte.
Für die Inselbewohner war es ein
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