Die Insel der Krieger
solche Angst. « »Angst? Wovor? « , fragte Arkas, der gerade mit Nino zurückkam, der noch immer an dem Schmetterling kaute. »Davor, mein Fenster offen gelassen zu haben. Es gibt heute sicher noch ein Gewitter. « »Was ist denn mit dem los? « Arkas blickte Zalari nach, als dieser aus der Bibliothek rauschte. Nalig zuckte nur mit den Schultern und nahm sich noch einen Keks. Arkas blieb, bis Hatos Krähe begann, ihre Kreise zu ziehen. Da keiner der Jungen mit Sicherheit sagen kon n te, wie genau sie dem Geschichtslehrer mitzuteilen in der Lage war, was hier vor sich ging, beschlossen sie, dass es klüger wäre, wenn Arkas verschwand. Nalig widmete sich wieder seiner stumpfsinnigen Arbeit und sortierte Bücher in die Regale. Es war schon fast Mittag, als er das letzte Buch eines gewaltigen Stapels in die Lücke zwischen zwei weiteren zu stecken versuchte. Obgleich das Regal tief genug war, stand der Wälzer mehr als eine Hand breit über. Stirnrunzelnd zog Nalig das Buch wieder heraus. Schuld daran, dass es nicht bis zur Rückwand gelangte, war ein weiteres, sehr kleines Buch, das hinter die übrigen gefallen war. Nalig zog es heraus und verstaute den Wälzer ordentlich. Das Buch, das er in Händen hielt, war in schwarzes Leder gebunden und kam ihm bekannt vor. Dann erinnerte er sich an Mariks Tagebuch. Es hatte genau so ausgesehen. Als er es aufschlug, stellte er auf den ersten Blick fest, dass er keinesfalls ein Tagebuch Mariks g e funden hatte. Die Schrift sah gänzlich anders aus und schien eher die einer Frau zu sein. Der Name auf der ersten Seite bestätigte diese Vermutung: Zari. Nalig stutzte. Auch dieser Name war ihm bekannt. Es dauerte jedoch einen Augenblick, bis ihm wieder einfiel, dass Zari eine Göttin und gleichermaßen Kayas Mutter und Mariks Frau gew e sen war. Aufgeregt stellte Nalig fest, dass auch dieses Tagebuch Ei n träge enthielt, die annähernd 800 Jahre zurück lagen. Leider hatte er gerade keine Zeit, das Tagebuch zu lesen. Verstohlen blickte er sich um und als er sicher war, dass ihn niemand sah, steckte er es ein. Über das Mittagessen, die Geschichtsstunde, das Abendessen und das Tra i ning mit Stella geriet das Tagebuch jedoch bald in Vergessenheit.
Von der Lichtung im Wald kam er an diesem Abend weit besser g e launt zurück, als es normalerweise der Fall war. Zum ersten Mal war nicht nur er, sondern auch Stella zu Boden gegangen. Zwar vermutete der Junge, dass sie nur über eine Wurzel gestolpert war und sie hatte ihm auch auf schmerzhafte Weise gezeigt, dass am Boden zu liegen keinesfalls bedeutete, wehrlos zu sein. Doch immerhin war es ein kleiner Sieg. Zudem hatte Stella die Übungsstunde etwas früher bee n det, da ein beharrlicher Regen eingesetzt hatte – der erste seit Naligs Fahrt über den See und so hatte die Lichtung bald eher Ähnlichkeit mit einem Sumpf. Als Nalig durchnässt den Gang entlang zu seinem Zimmer humpelte, trat gerade Zalari in voller Rüstung vor seine Tür. »Was hast du vor? « , wollte Nalig wissen. »Wir werden heute wieder zum Festland fliegen«, teilte Zalari mit und folgte Nalig in sein Zi m mer. »Bei diesem Wetter? « Es war offensichtlich, dass es in der Nacht noch ein Gewitter geben würde. »Ja. Diese Kreaturen sind zwar nicht wieder aufgetaucht, aber es gab neue Überfälle auf die Dörfer. « Gerade als Nalig etwas darauf erwidern wollte, klopfte es an seiner Tür. »Komm rein«, forderte er auf, da er sicher war, dass Arkas draußen stand. Wer eintrat, war allerdings Mira und sie hatte seinen Falken dabei. Die plumpe Schiene an seinem Flügel war verschwunden und er drehte erst eine Runde durch das Zimmer, ganz so, als freue er sich, wieder hier zu sein, dann ließ er sich auf seinem Stammplatz auf der Vorhangstange nieder. Nalig sprang auf. »Ist er wieder in Ordnung? « Er eilte zum Fenster und lockte den Vogel auf seine Schulter. »Ich denke schon. Sieh zu, dass er in den nächsten Tagen noch nicht so viel fliegt, aber ich nehme an, er hat es überstanden. « Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln und ging. Nalig hatte das Gefühl, nach langer Zeit wieder vollständig zu sein. Kir war weniger begeistert. Sie hatte sich in Zalaris Kragen verkrochen und ließ ihre gespaltene Zunge flattern. »Ich freue mich für dich. « Zalari kraulte den Drachen beschwichtigend mit einem Finger unter dem Kinn. »Jetzt wird es sicher nicht mehr lange dauern, bis ich euch unterstützen kann. « »Das hoffe ich. Wir können jede Hilfe gebrauchen. «
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