Die Insel der Krieger
über dem See waberte. Als sie die Nebelbänke hinter sich gelassen hatten, stellte Nalig verdutzt fest, dass hier die Sonne hoch am Himmel stand. Dann fiel ihm wieder ein, dass die Zeit auf dem Festland rascher verging als auf der Insel. Natürlich konnte es dann auf Kijerta und hier nicht immer gleichzeitig Nacht sein. Doch wenn man von der Insel aus dieselbe Sonne und dieselben Sterne sah, wie konnten diese dann an einem der beiden Orte einander schneller ablösen? Nalig gab es auf, über dieses Geheimnis zu grübeln, als Serefil in Sicht kam. Der A n blick stimmte ihn zugleich fröhlich und traurig. Es war allerdings sin n los, nach seinem Vater oder anderen Menschen, die er kannte, Au s schau zu halten. Dazu flogen sie zu hoch. Doch Kartax war allemal groß genug, um von den Bauern, unten auf den Feldern, gesehen zu werden. »Wie kommt es, dass die Menschen nicht in Panik geraten? « , wollte er wissen. »Gewöhnliche Menschen, die keine Nachfahren der Götter sind, können die Begleittiere in ihrer verwandelten Form nicht sehen. Uns im Übrigen auch nicht, solange wir uns innerhalb des Lichtkreises unserer Begleiter befinden. « Nalig bedauerte diese Tats a che ein wenig. Wenn sie schon ihr Leben darauf verwandten, die Me n schen aus Gefahren zu retten, dann sollten diese doch wenigstens wissen, wer ihre Retter waren. Sie waren noch nicht weit über Serefil hinweggeflogen, als Nalig auffiel, dass etwas nicht stimmte. Ein be i ßender Geruch lag in der Luft. Es roch nach verbranntem Holz und Schlimmerem. Sie flogen über mehrere Dörfer hinweg, die fast völlig ausgestorben waren. Ganze Häuserreihen waren niedergebrannt und die unversehrten Häuser waren entweder verlassen oder die Bewohner hatten sich darin eingeschlossen. Beunruhigt stellte Nalig fest, dass einige der Dörfer nicht weit von Serefil entfernt lagen. »Wer ist dafür verantwortlich? « »Genau das will ich dir zeigen. « Kartax flog einen weiten Bogen nach Westen und brachte sie so über einen Landstrich, der nicht bewohnbar war. Zahlreiche kleine Zelte waren auf der sta u bigen Erde aufgeschlagen worden. Sie waren kreisförmig um mehrere Feuerstellen angeordnet. Nur wenige Menschen hielten sich außerhalb der Zelte auf, doch gut zehn Dutzend Pferde standen auf einer prov i sorischen Koppel nahe dem Lager. Ob sie den Löwen sehen konnten, war Nalig nicht klar, doch sie waren sichtlich beunruhigt, als Kartax dicht über sie hinweg flog, um Nalig einen guten Blick auf das Lager zu gewähren. »Wer sind diese Leute? « , fragte er aufgebracht, als er die Berge von Diebesgut erblickte, die sich zweifelsohne infolge von Überfällen auf die Dörfer angehäuft hatten. »Sie stammen von überall her. Wären sie alle Bewohner eines der acht Königreiche, hätten wir die Angriffe wahrscheinlich längst unter Kontrolle. « Kartax flog weiter zu einem Wald, an dessen Rand die Soldaten Edas ihr Lager aufg e schlagen hatten. »Ich verstehe nicht, weshalb es nicht längst gelungen ist die Angreifer zu vertreiben. « Zugegeben, die Zahl der Räuber war nicht zu unterschätzen. Doch offensichtlich gingen die Soldaten des Königs schon gegen sie vor und zudem kannte Nalig die ungeheuren Kräfte der Krieger Kijertas und ihrer Begleiter. Wenn er an Kirs Fe u erstöße und Ailas giftigen Atem dachte, konnte er sich kaum vorste l len, dass gewöhnliche Menschen dagegen ankamen. Und nicht nur die Begleittiere, auch die Krieger selbst verfügten über besondere Ferti g keiten. Er dachte an Zalaris Pfeil, der die Zielscheibe in Stücke geri s sen hatte und Stellas Peitschenhiebe, unter denen die Erde erzitterte. »Es gibt nicht nur dieses eine Lager«, erklärte Kaya. »Sie sind auf den Feldern rund um die Dörfer verteilt. Die Räuber sind auch nicht das eigentliche Problem. Mit ihnen würden wir im Handumdrehen fertig werden. Aber dieses Fußvolk ist nur eine Nebenerscheinung einer viel größeren Bedrohung. « Offenbar wollte Kaya nicht weiter darauf ei n gehen, wie diese Bedrohung aussah. Daher schwiegen sie, während Kartax sie weiter ins Landesinnere brachte, in Gegenden, die Nalig nie zuvor gesehen hatte. Ohne dass Kaya dem Löwen vernehmbare A n weisungen gab, flog dieser auf eine Schlucht zu, die groß genug war, dass er an ihrem Grund landen konnte. Nalig nahm zunächst den Geruch dessen war, was die Göttin ihm zeigen wollte. Es war der Geruch getrockneten Blutes und verbrannten Fleisches. Das, was den Übelkeit erregenden Gestank verströmte, sah für den
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